Sahel-Politik gehört auf den Prüfstand

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Friedensgutachten 2018
Die Friedensforscher gehen hart ins Gericht mit den Militäreinsätzen in Mali und dem westlichen Sahel. Die Blauhelmmission MINUSMA könne keinen Frieden sichern, wo es keinen gebe, schreiben sie.

In Mali nimmt die Gewalt rivalisierender Gruppen an Intensität zu statt ab, stellen die Fachleute der vier führenden deutschen Institute für Friedensforschung fest. Sie sehen das als Symptom nicht funktionierender staatlicher Institutionen und schließen damit an Kritik der Heinrich-Böll-Stiftung an, dass der Friedensprozess scheitern wird, solange er die Macht der alten Eliten begünstige. Die Friedenforscher sprechen von einer Mission im Wartezustand, die „aufgrund der unbeständigen Sicherheitslage“ den Auftrag – die Überwachung des Friedensabkommens und die Stabilisierung des Landes – nicht erfüllen könne.

Erst im Frühjahr hat der Bundestag diesen größten Auslandseinsatz der Bundeswehr neben Afghanistan verlängert. Die Sahel-Zone südlich der Sahara hatte zunächst als Schauplatz im Kampf gegen islamistischen Terror an außenpolitischer Aufmerksamkeit gewonnen und steht seit 2016 im Fokus der Migrationsabwehr. Die Bundesregierung verfolgt dort einen „vernetzten Ansatz“: Entwicklungs-, Außen- und Sicherheitspolitik sollen ineinandergreifen.

Politische Prozesse kommen zu kurz

Der militärische Teil des Bemühens bringe aber keine Stabilisierung, so die Gutachter; politische Prozesse kämen zu kurz. Die sogenannte Ertüchtigung der lokalen Sicherheitskräfte durch Hilfen zur Ausstattung und zur Ausbildung könne zwar ein Beitrag zur langfristigen Eindämmung von Gewalt sein. Sie sei aber den europäischen Interessen folgend zu stark auf Dschihadisten, den Grenzschutz und die Migrationsabwehr fixiert. „Es wurde versäumt, politische Prozesse einzuleiten, die auf Rechtstaatlichkeit und eine integrative politisch Ordnung zielen“, kritisierte Christopher Daase von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) bei der Vorlage des Gutachtens. Priorität müsse bessere Regierungsführung sowie die Professionalisierung der Sicherheitskräfte und der Justiz haben.

Nicht nur in Mali, sondern insgesamt in der Sahel-Region kommen friedenspolitische Erwägungen nach Ansicht der Forscher zu kurz. Deutschland unterstützt die G5-Sahel-Initiative von Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad für eine gemeinsame Einsatztruppe. Im Februar haben die EU und die USA mehr als 400 Millionen. Euro für finanzielle und logistische Hilfe zugesagt. Die Europäischen Trainingsmission (EUTM) unterstützt G5-Soldaten und Polizisten seit 2017 auch in der Grenzsicherung. 

Der G5-Allianz fehle die zivile und politische Komponente, bemängeln die Friedensforscher. Der Fokus liege auf Kriegsgerät, Waffen und Munition. Zudem würden Parallelstrukturen in Konkurrenz zur Sicherheitsarchitektur der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) aufgebaut, statt diese zu stärken. Gerade ECOWAS habe bei Konflikten in der Region zuletzt ein fortschrittliches und pro-demokratisches ziviles Krisenmanagement bewiesen.

Krisenprävention wird vernachlässigt

Auch der Opposition ist das deutsche Engagement im Sahel zu einseitig militärisch. Der Regierung fehle ein entwicklungs- und friedenspolitisches Gesamtkonzept, Krisenprävention werde vernachlässigt und nicht regional gedacht, heißt es bei den Grünen. So zeigt eine Antwort des Auswärtigen Amts auf ihre Anfrage, dass aus dem G5-Budget für Krisenprävention und Konfliktbewältigung 2017 weniger als 10 Millionen Euro für Basisarbeit für Versöhnung, sozialen Zusammenhalt oder gegen religiöse Fanatisierung eingeplant waren. Dem standen 29 Millionen Euro für Grenzmanagement, Flüchtlingsschutz und Rückkehrerprojekte gegenüber sowie 12 Millionen Euro für die Ertüchtigung der Polizei.

Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hat jüngst ein Schlaglicht auf Niger geworfen. Seit das G5-Land als Gegenleistung für Militär-, Polizei- und Entwicklungshilfe die Grenzen stärker kontrolliert, ist die Migration über den Knotenpunkt Agadez an der Transsahara-Route laut der Organisation für Migration binnen eines Jahres um drei Viertel zurückgegangen. Das schade der mit der Migration verbundenen Wirtschaft und drohe den Norden des Landes zu destabilisieren, warnt die SWP in einer Studie.

SWP: Niger wird destabilisiert

Die Kriminalisierung von Fahrern und Betreibern von Unterkünften entziehe der stark gewachsenen lokalen Bevölkerung Einkommen, ohne dass Alternativen entstehen. Zugleich seien Erwartungen an die Entwicklungspolitik bislang enttäuscht worden. Im schlimmsten Fall könne das zu einer weiteren Rebellion der Tuareg und einer Stärkung dschihadistischer Netzwerke führen, warnt die SWP.

Kanzlerin Angela Merkel hatte im Februar erklärt, Deutschland werde zwischen 2017 und 2020 rund 1,7 Milliarden Euro für die Entwicklung der Sahel-Staaten ausgeben. Geplant sind laut dem Entwicklungsministerium unter anderem mehr Berufsschulplätze, Investitionen in die Landwirtschaft und in Infrastrukturarbeiten, die Jobs für Jugendliche schaffen. Auch der Kampf gegen Korruption soll gestärkt werden.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2018: Vormarsch der starken Männer
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