in der Terrorismusbekämpfung geworden. Von denen möchte Déby nun für seine „Sicherheitsdienste“ mehr Geld.
Auch wenn im Tschad regelmäßig Wahlen abgehalten werden: Präsident Idriss Déby steht an der Spitze eines autoritären Regimes. Dass er im April 2016 mit fast 60 Prozent der Stimmen wieder gewählt wurde, lag vor allem daran, dass er die zersplitterte Opposition im Vorfeld der Abstimmung mit Einschüchterung und Repressalien im Zaum gehalten hatte. Mittlerweile ist Déby seit 27 Jahren an der Macht. Mitglieder seiner Familie, die der Volksgruppe der Zaghawa angehört, halten ebenso wie seine Verbündeten Schlüsselposten in Regierung, Militär und Wirtschaft.
Nicht nur im eigenen Land, auch in ganz Zentral- und Westafrika kommt man an Déby nicht vorbei. Denn der Tschad ist heute ein unverzichtbarer Sicherheitspartner für den Westen. So wählte Frankreich im Jahr 2014 die tschadische Hauptstadt N‘Djamena zum Hauptquartier der „Opération Barkhane“, einer noch andauernden Mission zur Terrorismusbekämpfung in der Sahelzone. Déby sitzt nach zwei aus dem Sudan unterstützten Rebellionen 2006 und 2008 wieder einigermaßen fest im Sattel – nicht zuletzt dank französischer Militärintervention, mit deren Hilfe beide Umsturzversuche nach Straßenkämpfen in N‘Djamena niedergeschlagen wurden.
Seit seiner Wiederwahl 2016 wächst aber die Unzufriedenheit im Tschad. Das Grundproblem ist Geldmangel: Sinkende Ölpreise und teure Terrorbekämpfungsmaßnahmen haben bewirkt, dass der Tschad seine Beamten, Lehrer, Studenten, Richter und teilweise sogar seine Soldaten nicht mehr bezahlen kann. Die Finanzkrise hat die Opposition gestärkt, der Staat greift zu Repression und das löst weitere Proteste aus.
Zwar muss Déby nicht unmittelbar um seine Macht fürchten, aber er braucht dringend Geld. Mit offenen Worten und durchsichtigen Manövern setzt er westliche Staaten, internationale Geber und transnationale Konzerne unter Druck, seinem Regime mehr finanzielle Unterstützung zu gewähren. Und das, obwohl seine Außenpolitik nicht durchgängig den Wünschen seiner westlichen Unterstützer folgt. Von Libyen bis zur Zentralafrikanischen Republik hat Débys Realpolitik stets zuerst seine eigenen Interessen im Blick.
Die wurzeln in Gefahren von außen. Der Tschad grenzt an die relativ stabilen Staaten Kamerun und Niger, aber auch an einige der instabilsten Länder Afrikas: Sudan, Zentralafrikanische Republik, Nigeria und Libyen. 2010 hat er sich mit dem Sudan geeinigt, keine Rebellenbewegungen im jeweils anderen Land mehr zu unterstützen. Das hat Débys Position sowohl innen- als auch außenpolitisch gestärkt. Seitdem aber wird das Sicherheitsumfeld bedrohlicher. In Nigeria hat sich Boko Haram im neuen Gewand einer dschihadistischen Aufstandsbewegung zurückgemeldet. Im Jahr 2011 brachte eine von der NATO unterstützte Rebellion in Libyen den langjährigen Diktator Muammar al-Gaddafi zu Fall, was dort den Boden für viele Jahre Chaos und einander bekämpfende Regierungen bereitete. Von 2012 bis 2013 war der Norden Malis im Griff von Separatisten und Dschihadisten; fast gleichzeitig stürzten Rebellen in der Zentralafrikanischen Republik die dortige Regierung und das Land versank im Bürgerkrieg.
All diese Konflikte dauern in der einen oder anderen Form bis heute an. Und an allen ist der Tschad in irgendeiner Form beteiligt. Dabei lassen sich zwei Arten von Interventionen unterscheiden: die mit internationaler Unterstützung und die eher inoffiziellen. Internationalen Zuspruch erhielt der Tschad für seine Einsätze in Nigeria und Mali, wo er sich 2013 bis 2014 an formellen, von der internationalen Gemeinschaft gestützten Koalitionen wie der französischen „Opération Serval“ zugunsten der Regierung in Mali beteiligte. Er engagiert sich auch in der G-5-Streitmacht, einem noch neuen militärischen Bündnis, an dem Truppen aus fünf Ländern der Sahelzone beteiligt sind, sowie in der gegen Boko Haram gerichteten Multinational Joint Task Force (MNJTF), an der Soldaten aus Nigeria, Niger, Kamerun und Benin teilnehmen. Tschadische Soldaten haben an vorderster Front gegen die gefährlichsten Dschihadisten der Region gekämpft und sich dabei tapfer geschlagen. Das hat den Status des Landes als wichtiger Verbündeter des Westens gestärkt.
Undurchsichtiger und stärker von Eigeninteressen geprägt waren die Interventionen in der Zentralafrikanischen Republik und in Libyen. Déby wird allgemein verdächtigt, in der ZAR die Séléka-Rebellen unterstützt zu haben, die 2013 Präsident François Bozizé stürzten. Auch wird ihm vorgeworfen, sich dort seitdem stark in die Politik einzumischen – beispielsweise, indem er die Afrikanische Union (AU) benutzt, eine kontroverse Amnestie für ehemalige Séléka-Kämpfer durchzusetzen. In der AU ist Débys Einfluss in den vergangenen Jahren gestiegen. So wurde sein früherer Außenminister Moussa Faki Mahamat im Januar 2017 zum Vorsitzenden der Kommission der Afrikanischen Union gewählt, deren Präsident von Januar 2016 bis Januar 2017 Déby selbst war.
In Libyen unterstützt Déby General Chalifa Haftar. Der Militär und starke Mann im Ostteil des Landes hat Ambitionen auf die Herrschaft in ganz Libyen. Haftars Beziehungen zur international anerkannten Regierung sind stark angespannt. Er erhält auch andere Rückendeckung von außen: Ägypten, die Vereinigten Emirate, Russland und andere stärken seine Position auf Kosten der Regierung.
Déby setzt mit Haftar auf eine mächtige Figur in der libyschen Politik – eine mit Durchschlagskraft, wie seine jüngsten militärischen Erfolge in Bengasi im Osten des Landes zeigen, das er von den Islamisten befreit hat. Déby scheint auch interessiert, sich die Hilfe Haftars bei der Niederschlagung von Rebellionen im Tschad zu sichern. Der tschadische Rebellenführer Mahamat Mahdi Ali, dessen Kräfte im Norden des Tschad und im Südosten Libyens ihre Basis haben, wirft Haftar vor, nach dessen Verständigung mit Déby sein libysches Lager bombardiert zu haben. Mit anderen Worten: Haftar und Déby machen einen Handel zum beiderseitigen Vorteil. Haftar gewinnt international an Unterstützung, Déby einen Freund in einem seiner vielen Hinterhöfe.
Überall sind Débys Interventionen im Ausland darauf angelegt, seine eigene Position zu stärken – indem er sich die Franzosen oder die Amerikaner verpflichtet oder die Politik seiner Nachbarn mitgestaltet. Dabei bleibt Débys Problem aber die wirtschaftliche Schwäche seines Landes.
Der Tschad gehört zu den ärmsten Ländern der Welt: Im Index der menschlichen Entwicklung rangiert er 2016 auf Platz 186; dahinter liegen nur noch der Niger und die Zentralafrikanische Republik, zwei unmittelbare Nachbarn des Tschad. Die wirtschaftlichen Ressourcen des Landes sind bescheiden. Seit 2004 ist Erdöl sein Hauptexportartikel. Die Produktion erreichte 2005 mit 172.000 Barrel pro Tag ihren Höhepunkt. Damit gehörte der Tschad zwar zu den kleineren Produzenten weltweit, aber für Déby waren die Öleinnahmen entscheidend: Im Jahr 2011 erreichten sie ihren Rekordwert von 2 Milliarden Dollar und machten 76 Prozent der Staatseinnahmen aus. Sie ermöglichten Déby große Waffenkäufe. Wie die Journalistin Celeste Hicks dokumentiert hat, spekulierte Déby geschickt und richtig darauf, gefahrlos die Auflagen der Weltbank ignorieren zu können. Die hatte ihm seine Ölinfrastruktur eigentlich unter der Bedingung finanziert, dass er den größten Teil der Erlöse in die Entwicklung seines Landes steckte.
Der Verfall des Ölpreises traf dann ab 2015 die Regierung des Tschad hart: Die Einnahmen der Regierung aus dem Ölexport fielen in diesem Jahr auf 200 Millionen Dollar und machten nur noch 24 Prozent der Staatseinnahmen aus. Das Haushaltsdefizit erreichte 2015 bereits im Frühjahr 690 Millionen Dollar, den höchsten Stand seit 2009.
In geringerem Maße trugen die Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung zum Staatsdefizit bei. Anfang 2015 griffen die Streitkräfte des Tschad mit Unterstützung von denen des Niger im Nordosten Nigerias ein, um Boko Haram am Aufbau einer territorialen Basis zu hindern. Es kostete den Tschad rund 7,6 Millionen Dollar im Monat, der islamistischen Terrororganisation Ort für Ort zu entreißen. Das ist wenig im Vergleich mit den Folgen der sinkenden Ölpreise, aber es sind erhebliche Summen. Zudem schädigt die Boko-Haram-Krise auch die Wirtschaft des Tschad – besonders die Viehexporte nach Nigeria, die wichtigste Einnahmequelle nach dem Erdöl.
Die schlechte Finanzlage zwang die Regierung des Tschad im Herbst 2015 zu unpopulären Sparmaßnahmen. Anfangs blieben sie auf die höheren Regierungsmitglieder begrenzt: Gehälter wurden eingefroren und gekürzt, Auslandsreisen und die Anschaffung von Dienstfahrzeugen stark eingeschränkt. Doch bald wurden auch Gehälter für Regierungsangestellte und Stipendien von Studenten nur verzögert oder gar nicht ausgezahlt. Jede neue Sparmaßnahme löste Proteste aus und mobilisierte Gewerkschaften, Beamtenvereinigungen und Studentenorganisationen. Der Sparkurs gab so der Opposition gegen Déby neuen Auftrieb; sie kritisierte, die Streichungen seien nur nötig, weil die Regierung Missmanagement mit den Öleinnahmen betrieben habe.
Das Regime ließ einige Proteste zu, ergriff aber harte Maßnahmen gegen die organisierte Opposition. Im Februar 2017 verschob Déby die anstehenden Wahlen mit Verweis auf Geldmangel auf unbestimmte Zeit. Sicherheitskräfte verhafteten mehrere Aktivisten und Kritiker. Zwar hat sich die Menschenrechtssituation im Tschad seit der Regierung von Débys Vorgänger Hissène Habré (1982-1990) verbessert, aber regelmäßig werden führende Oppositionelle verhaftet. Während der Wahlen im April 2016 verschwanden über vierzig Mitglieder der Sicherheitskräfte, und der Verdacht kam auf, das Regime habe sie dafür bestraft, gegen Déby gestimmt zu haben.
Autor
Alexander Thurston
ist Gastprofessor des African Studies Program der Georgetown University in den USA.Hier treten die westlichen Geber auf den Plan, zuvorderst Frankreich. Genaue Zahlen über die französische Sicherheitshilfe für den Tschad gibt es nicht. Aber die Projekte der französischen Entwicklungsagentur dort wachsen ständig, 2016 erreichten sie 30,3 Millionen Euro. Auch die USA gehören zu den großen Geberländern. Auch hier gibt es keine genauen Zahlen über die Hilfe für Sicherheitskräfte. Aber Anfang 2016 schätzte der Wissenschaftliche Dienst des Kongresses, der Tschad habe „in den letzten Jahren“ vom US-Verteidigungsministerium 100 Millionen US-Dollar bekommen und weitere Millionen an Sicherheitshilfe vom US-Außenministerium. Ferner leisten die USA im Tschad in großem Umfang humanitäre Hilfe – ebenso wie die Europäische Union, die seit 2012 annähernd 300 Millionen Euro gewährte. Der Tschad ist für kein westliches Land ein Haupt-Hilfeempfänger, aber die Hilfen, die er bekommt, haben für Déby entscheidende Bedeutung.
Angesichts der Finanzkrise hat Déby ausdrücklich mehr Geld gefordert im Austausch dafür, dass sein Land weiterhin als Macht auftritt, die regionale Sicherheit durchsetzt. Sonst, sagte Déby im Juni, müssten seine Streitkräfte möglicherweise ihr Engagement in West- und Zentralafrika beenden. Die Antwort kam prompt: Der Internationale Währungsfonds bewilligte einen Kredit von 300 Millionen Dollar. Zwar ist nicht nachweisbar, dass Débys Drohung diese Entscheidung beeinflusst hat, aber die zeitliche Nähe ist auffallend. Der Tschad ist zu einem so wichtigen Teil der Sicherheitsstruktur in Afrika geworden, dass es für die Geber nahezu undenkbar scheint, Déby fallen zu lassen. Hier zeigt sich der Mechanismus der „Extraversion“: Arme Länder setzen statt auf einheimische Einnahmen auf Geldzuflüsse von außen und werden davon abhängig. Das könnte Déby ermöglichen, die Wirtschaftskrise zu überstehen und trotz der wachsenden Protestwelle zu Hause nur minimale Zugeständnisse zu machen.
Der Tschad bietet ein Bild voller Widersprüche: Er ist hoffnungslos arm und zugleich zunehmend einflussreich, stark im Ausland und schwach im Innern; er ist ein autoritäres Regime, das westlichen Mächten hilft, fragile Demokratien von Mali bis zur Zentralafrikanischen Republik zu stützen. Ob es der Regierung gelingt, die Balance zwischen diesen Rollen zu wahren und die Probleme im Griff zu behalten, hängt erstens von der Höhe der finanziellen Unterstützung aus dem Westen ab und zweitens vom Ausmaß der Proteste und Rebellionen gegen Déby. Bisher scheint er die Oberhand zu behalten.
Aus dem Englischen von Thomas Wollermann
Neuen Kommentar hinzufügen