Als im Februar 2015 die ersten 93 Flüchtlinge aus Syrien in Rom aus dem Flugzeug stiegen, staunten viele. Es war das erste Mal, dass Flüchtlinge legal, auf sicherem Wege und ohne vorher horrende Summen an Schleuser gezahlt zu haben nach Italien einreisten. Möglich wurde das durch ein Abkommen, das die katholische Gemeinschaft Sant’Egidio zusammen mit der Union der Evangelischen Kirchen in Italien und der Waldenser-Tafel mit den italienischen Behörden ausgehandelt hatte. Die ökumenische Initiative hatte sich bereit erklärt, für die Unterbringung von rund tausend Flüchtlingen mit besonderem Schutzbedarf aufzukommen und eine bestmögliche Integration in die italienische Gesellschaft zu gewährleisten.
Die in der Vereinbarung festgelegten tausend Flüchtlinge sind in Italien angekommen, ein weiteres Projekt in Zusammenarbeit mit der italienischen Bischofskonferenz läuft derzeit für somalische und eritreische Flüchtlinge aus Äthiopien. Kirchen in Frankreich haben dieses Modell übernommen und seit Anfang 2017 Flüchtlinge auf diesem Wege aus Krisenregionen geholt. Seit Ende vergangenen Jahres gibt es auch für Belgien einen „Humanitären Korridor“.
Gutes Mittel gegen Schleuser-Mafia
Für Deutschland ist so etwas bislang noch nicht geplant, obwohl der deutsche Ableger von Sant’Egidio in Politik und Kirchen schon viel Werbung für dieses Modell gemacht hat. „Anders als noch vor drei Jahren ist jedenfalls das Bewusstsein gegenüber dem Thema hierzulande gewachsen“, sagt Susanne Bühl, Sprecherin von Sant’Egidio Deutschland. Insbesondere kirchliche Medien beobachteten aufmerksam, was sich in Italien, Frankreich oder Belgien tue.
Auch die Politik hat mittlerweile mitbekommen, dass humanitäre Korridore im Kampf gegen die Schleuser-Mafia durchaus ein geeignetes Mittel sein können. So hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Eröffnungsrede beim internationalen Friedenstreffen der Gemeinschaft Sant‘Egidio in Münster im September 2017 die „Humanitären Korridore“ als beispielhaft erwähnt. Und die eine oder andere Landeskirche unterstützt das Projekt in Italien finanziell; die westfälische Landeskirche etwa hat Geld an die Waldenserkirche geschickt.
Noch dicke Bretter zu bohren
In Deutschland hat bis jetzt noch keine Institution konkrete Schritte für einen humanitären Korridor unternommen. Das mag daran liegen, dass die Rahmenbedingungen in jedem Land anders sind und nicht alles eins zu eins übernommen werden kann. So sind Gesundheitsdienste in Italien für jeden kostenfrei, der sich in dem Land aufhält. In Deutschland dagegen muss vorher geklärt sein, wer für die Beiträge der Flüchtlinge aufkommen wird.
„Das ist ein dickes Brett, das da gebohrt werden muss“, sagt Bühl, die sich am ehesten einzelne Landeskirchen oder Diözesen als Initiatoren vorstellen kann. In einigen Bundesländern seien bereits von politischer Seite humanitäre Aufnahmeprogramme initiiert und Erfahrungen damit gesammelt worden. Zudem seien die Kirchen ohnehin schon stark in der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit engagiert.
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