Alliance Sud hat in einer fiktiven Stellenausschreibung ein Anforderungsprofil formuliert: „Sind auch Sie überzeugt, dass gerechte Lebensverhältnisse in den Entwicklungsländern für die Sicherheit, Wirtschaft und Zukunft der Schweiz unabdingbar sind?“ und: „Haben Sie Lust, die langfristigen Interessen der Schweiz gegenüber politisch kurzsichtigeren Amtskollegen und Parlamentsmehrheiten nachdrücklich zu verteidigen?“ Wer diese Fragen mit Ja beantwortet, ist „unser/e Topkandidat/in“, heißt es darin.
Die Arbeitsgemeinschaft der sechs großen Hilfswerke erwartet vom künftigen Schweizer Außenminister einen „beherzten Einsatz für die entwicklungspolitische Kohärenz“. Er soll nicht nur die Einhaltung der Menschenrechte „wortreich beschwören“, sondern sich auch sichtbar für Maßnahmen gegen die Steuerflucht und die Gewinnverschiebungen multinationaler Konzerne einsetzen. Gefragt sei weiter ein „unbedingtes Interesse an einer langfristigen Entwicklungszusammenarbeit“. Humanitäre Nothilfe und Friedensförderung seien zwar sehr wichtig, ersetzten jedoch nicht die Förderung von Lebensperspektiven in ärmeren Ländern, „die (noch) nicht in einer akuten politischen Krise stecken.“
Eine „allzu hohe Kompromissbereitschaft“ braucht der künftige Stelleninhaber hingegen nicht. Diese bewirke lediglich, dass die Budgets der Entwicklungszusammenarbeit „weiter für zweckfremde Anliegen wie die Asylpolitik und die Abgeltung internationaler Klimamaßnahmen missbraucht“ würden. Dieser „unrühmlichen Tendenz“ gelte es ein Ende zu setzen, fordert Alliance Sud. Und: „Gegen weitere Kürzungen der Mittel kämpfen Sie selbstverständlich mit aller Kraft.“
Die Kürzungen sind kaum aufzuhalten
Das dürfte angesichts der politischen Kräfteverhältnisse im Parlament sehr schwierig werden. So will die Finanzkommission des Nationalrates die Quote von 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für die Entwicklungshilfe wieder streichen. Sie war 2011 auf öffentlichen Druck der Hilfswerke festgelegt worden. Künftig sollen sich die Kredite für die Entwicklungszusammenarbeit jedoch einzig am Bundeshaushalt orientieren; das könnte weitere Sparrunden zur Folge haben. Schon mit den bereits beschlossenen Einsparungen für die Jahre 2017-2019 fällt die Quote auf 0,48 Prozent. 2016 gab die Schweiz noch insgesamt rund 3,5 Milliarden Franken (3,2 Milliarden Euro) für öffentliche Entwicklungshilfe aus. Das entsprach 0,54 Prozent des BNE.
Ein neuer Außenminister wird die Kürzungen kurzfristig kaum verhindern können. Leise Hoffnung auf neue Akzente könnte es bei einem Wechsel des sozialdemokratischen Bundesrates Alain Berset vom Innen- ins Außendepartement geben. Berset hält sich bislang bedeckt, denn am 25. September muss er zunächst eine Mammutrevision der Altersvorsorge durch die Volksabstimmung bringen.
Bleibt Berset Innenminister, dürfte der am 20. September neu gewählte FDP-Bundesrat das Außenministerium übernehmen. Favorit ist der Tessiner Nationalrat und Arzt Ignazio Cassis. Der Gesundheitspolitiker ist in der Außenpolitik ein unbeschriebenes Blatt, steht aber für einen harten Sparkurs.
Neuen Kommentar hinzufügen