Tatsache ist: In Venezuelas neue Verfassungsversammlung konnte man Ende Juli nur Kandidaten der Regierung wählen, weil die Opposition die Wahl boykottierte – laut Umfragen im Einklang mit der Bevölkerungsmehrheit. Um trotzdem zumindest 40 Prozent Wahlbeteiligung zu erreichen, hat die Regierung Druck ausgeübt und sehr wahrscheinlich das Ergebnis frisiert. Ungeachtet juristischer Detailfragen ist ihr politisches Ziel klar: Das neue Gremium soll ihre Macht zementieren, nachdem sie die jüngste Parlamentswahl verloren hat und Präsident Nicolás Maduro keine freie Wahl mehr gewinnen könnte.
Sicher, auch die Opposition besteht nicht aus Heiligen. Sie ist uneins und ihr gehören Leute an, die frühere Umsturzversuche gegen die Chavisten unterstützt haben, mit zweifelhaften Freunden in den USA. Das ändert aber nichts am Kern der Sache: Die Chavisten haben das Land ruiniert. Sie haben Sozialprogramme für Arme – einen echten Fortschritt – mit Öleinnahmen und Schulden bezahlt und die einheimische Produktion verfallen lassen. Als Güter knapp und Importe unbezahlbar wurden, haben sie mit Preis- und Devisenkontrollen den Schwarzmarkt geschaffen, für den sie Imperialisten und Spekulanten die Schuld geben. Zu leiden haben nicht zuletzt ihre früheren Wähler. Das erklärt den Sieg der Opposition bei der Parlamentswahl Ende 2015.
Erinnerung an Nicaragua, Eritrea, Namibia
Seitdem regiert Maduro mit Hilfe von ihm kontrollierter Justizorgane an der Volksvertretung vorbei. Die Verfassungsversammlung ist der nächste Schritt zur Entmachtung aller Institutionen, die sich ihm widersetzen könnten. Venezuela schlingert auf das Modell Simbabwe zu: wirtschaftlich zerrüttet, aber fest im Griff einer Clique, die ihre Anhänger mit nationalistischen Parolen bei der Stange hält, größere Widerstandsregungen erstickt, Wahlen manipuliert und eine demokratische Fassade pflegt.
Und Linke, die sonst Regierungen mistrauen, stehen zu der von Maduro – so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Wolfgang Gehrke, und das Netzwerk Cuba, ein Verband von Solidaritätsgruppen. Offenbar weil Maduro sich antikapitalistisch gibt und den USA widersetzt. Doch das ist kein Kriterium für Demokratie.
Und es erinnert an alte Irrwege: Vietnam, Nicaragua, Eritrea, Namibia – viele Befreiungsbewegungen entwickelten nach ihrem Sieg autokratische Züge, fanden aber weiter Unterstützer in Deutschland. Den Schaden haben ihre Völker. Gefragt ist eine Solidarität, die sich nicht einfach auf eine Seite schlägt, sondern immer auch Pluralität und institutionelle Gegengewichte gegen jegliche Machthaber verteidigt. Oder was verstehen manche Linke unter Demokratie?
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