Solidarität als Wagnis

Südafrika
Was bedeutet heute Solidarität mit Menschen im Süden? Darüber hat die Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA) in Heidelberg mit Partnern aus Südafrika diskutiert. Zu ihrem zwanzigjährigen Bestehen stellte sie damit Anfang Juni auch ihr eigenes Selbstverständnis auf den Prüfstand.

Sehr grundsätzlich beantwortete Graeme Philpott von der Pietermaritzburg Agency for Christian Social Awareness (PACSA) die Frage nach der Solidarität: Für ihn besteht sie darin, sich an die Seite der Ausgeschlossenen zu stellen, aber ihnen die Führung zu überlassen, wenn sie gegen die Mächtigen kämpfen. Er schilderte Erfahrungen mit Initiativen in informellen Siedlungen bei Pietermaritzburg, denen korrupte Stadträte eine Wohnung verweigern. Ihr Protest ist riskant – eine Aktivistin der „shack dweller“ wurde 2014 erschossen. „Echte Solidarität zwingt uns, eine Wahl zu treffen“, sagte Philpott. Bei Demonstrationen gegen Korruption fühle Südafrikas Mittelklasse sich dagegen wohl, denn Korruption fänden alle schlecht – selbst die Korrupten.

Philpott treibt die Frage um, wie sich bürgerliche Intellektuelle zu den Marginalisierten, zu ihren Protesten und Revolten stellen sollen. Gerade in Südafrika während der Apartheid haben viele mit dieser Frage gerungen. Sie stellt sich auch in Deutschland, bestätigt Philpott – aber in ganz anderem Kontext als in seiner Heimat. Dort funktionierten Demokratie und Rechtsstaat für 30 Prozent der Bevölkerung, aber die übrigen seien davon ausgeschlossen und könnten kaum Rechte durchsetzen.

EPA erwähnt hier fast keiner

Wenn Solidarität an konkrete Konflikte gebunden ist, ist sie dann auch international möglich? Ja, sagt Philpott und verweist darauf, dass Bewegungen der „shack dweller“ in Südafrika und in Ländern wie Indien sich gegenseitig unterstützen. Solidarität aus Deutschland heißt aber vor allem, den Partnern im südlichen Afrika einen Raum in der europäischen Öffentlichkeit zu verschaffen, erklärt Boniface Mabanza von KASA. Zum Beispiel den Opfern des Massakers von Marikana, bei dem südafrikanische Sicherheitskräfte 2012 mehr als 30 streikende Bergleute erschossen haben: KASA habe mehrere der Witwen und einen südafrikanischen Bischof zur Aktionärsversammlung von BASF gebracht, einem großen Kunden der betroffenen Mine. Auch mit Bundestagsabgeordneten konnten sie sprechen.

Mabanza plädiert für eine Doppelstrategie: Gespräche mit Entscheidungsträgern und zugleich Mobilisierung der deutschen Gesellschaft. Die ist allerdings schwer zu erreichen, räumt er ein; Probleme im Süden seien hier wenig im Bewusstsein. Zum Beispiel rufe das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP breite Proteste hervor, während die Wirtschaftsabkommen Europas mit Afrika (EPAs), die vor allem dort Folgen haben, kaum erwähnt würden.

Zur Solidarität gehört für Simone Knapp von KASA, dass kirchliche Werke wie Misereor und Brot für die Welt politisch unliebsame Gruppen im Süden fördern – auch wenn die nur kleine Summen brauchen und nicht alle Formalitäten einhalten können. Das wollen wir, antwortete Klaus Piepel von Misereor, aber es ist nicht einfach; bürokratische Verfahren dienten ja auch der Transparenz.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2016: Sicherheit: Manchmal hilft die Polizei
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