Tatsächlich sind die beiden Missionen schwer zu trennen. Doch Müller brachte vor allem die Botschaft, dass er sich intensiver für die Entwicklung der Wirtschaft und für Arbeitsplätze einsetzen will. Schon seit dem Sturz von Präsident Ben Ali vor fünf Jahren unterstützt Deutschland Tunesien, sein Aus- und Fortbildungssystem zu reformieren. Denn das produziert zwar viele Hochschulabsolventen, geht aber am Bedarf des Arbeitsmarkts vorbei. Ein Projekt zum Ausbau der Wasserversorgung auf dem Land schneidet in der Bewertung zwar nicht brillant ab, trug laut Ministerium aber dazu bei, 100.000 Arbeitsplätze zu schaffen. 2015 erhielt Tunesien 215 Millionen Euro aus Deutschland, davon 186 Millionen als Darlehen.
Die Betonung auf Jobs zeigt den neuen Akzent. „Wir arbeiten an einer neuen Mittelmeer-Wirtschaftskooperation“, heißt es neuerdings. Die Umrisse sind noch unscharf. Aber im Zuge der Sonderinitiative „Stabilisierung der Länder in Nordafrika und Nahost“ soll vor allem die Wirtschaft gestärkt werden. Das sei klare Priorität für anstehende Regierungsverhandlungen, sagte eine Sprecherin. In einem Interview kündigte Müller eine „Agentur für Wirtschaft und Entwicklung“ an, die deutsche Mittelständler und innovative Firmen mit Anreizen in die Region locken soll.
In Tunesien will Müller vor allem Ausbildungskooperationen. Im Elektronik- und Textilbereich sind bereits etliche deutsche Firmen vor Ort. Sie beklagen Überregulierung, schlecht qualifizierte Arbeitskräfte und instabile politische Verhältnisse. Immerhin: Ein neues Gesetz schafft eine verträglichere Körperschaftssteuer und will Auslandsinvestitionen erleichtern, die zuletzt eher stagnierten.
Deutschland berät Marokko in der Asylpolitik
Aus Tunesien kamen 2015 nur etwa 2000 Flüchtlinge nach Deutschland, aus Marokko hingegen rund 10.000. In dem Königreich hilft Deutschland finanziell beim Bau eines Solarkraftwerks, dem Herzstück der nationalen Strategie für erneuerbare Energien. Schon seit 2015 beraten deutsche Experten Marokko aber auch beim Entwurf eines neuen Einwanderungs- und Asylgesetzes – und bei der Einrichtung so genannter Willkommenszentren.
Die Asylanträge in Marokko haben sich im vergangenen Jahr verdreifacht. Aus Libyen, Subsahara-Afrika und Syrien suchen immer mehr Menschen Zuflucht in dem Land, während die Fluchtroute über das Mittelmeer nach Spanien so gut wie geschlossen ist. In Rabat eröffnete Müller die erste von zehn Anlaufstellen, die in marokkanischen Kommunen mit Auskünften über Verwaltung, Sprachkurse und Jobvermittlungen helfen sollen. Die Zentren wurden vor zwei Jahren beschlossen und sollen auch Rückkehrern aus Europa offenstehen.
Das Ölland Algerien, Müllers dritte Station, erhält keine Entwicklungshilfe aus Deutschland. Ein neu eröffnetes Institut für Umwelttechnik an der panafrikanischen Universität Tlemcen soll aber talentierten Nachwuchskräften Perspektiven schaffen. Das autoritär regierte Algerien gilt als wichtiger Puffer zwischen den Schleuserrouten der Sahara und dem Mittelmeer. 2015 kamen 14.000 Algerier nach Deutschland. Ihre Heimat wurde im Asylpaket II wie Tunesien und Marokko zum sicheren Herkunftsland erklärt.
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