„Wir sind nicht im Plan“, räumte Entwicklungsminister Dirk Niebel beim New Yorker Gipfel unverblümt ein. 0,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts stellt Deutschland derzeit für staatliche Entwicklungsleistungen bereit (so genannte ODA-Quote). International vereinbart sind 0,7 Prozent bis 2015, dem Zieljahr der Millenniumsbeschlüsse zur Armutsbekämpfung – eine Deckungslücke für Deutschland von 10 Milliarden Euro. „Wir halten am 0,7-Ziel fest“, verkündete Kanzlerin Merkel dennoch vor der UN-Vollversammlung. Freilich nicht, ohne sich eine Hintertür offen zu halten: Die Wirksamkeit der Hilfe müsse verbessert werden – und zwar zuallererst auf Seiten der Entwicklungsländer selbst: „Sie haben es in der Hand“, appellierte Angela Merkel an die Hilfeempfänger. Gute Regierungsführung sei nicht weniger wichtig als Geld. Minister Niebel forderte eine stärkere Einbeziehung der Privatwirtschaft in die Entwicklungskooperation.
Autor
Johannes Schradi
war bis Frühjahr 2013 Berlin-Korrespondent von „welt-sichten“.Es waren Versatzstücke aus dem neuen Schlagwort-Baukasten des BMZ – zu dem auch die Absage an mehr multilaterale Entwicklungszusammenarbeit gehört. Freilich: „Sparkurs und Rückbesinnung auf altmodische bilaterale Entwicklungszusammenarbeit kommen auf der Konferenz nicht gut an“, mailte der mitgereiste Entwicklungspolitiker Thilo Hoppe (Grüne) nach Berlin. Schon gar nicht, wenn Deutschland zugleich einen Sitz im UN-Sicherheitsrat anstrebt.
Die Betonung bilateraler Politik sorgte für Kopfschütteln
Noch vor Ort suchte Kanzlerin Merkel eilends die Sorge vieler Geber- sowie Empfängerländer zu zerstreuen, Berlin könne sich schon 2012 aus dem Globalen Aidsfonds finanziell zurückziehen. Entwicklungsminister Niebel signalisierte, innerhalb des multilateral finanzierten Fonds-Programms bilaterale Mittel einsetzen zu wollen – wie immer das funktionieren soll. Nationale Einzelauftritte statt besserer Geberkoordination seien nicht wünschenswert, ließen Weltbank-Präsident Robert Zoellick und andere die deutsche Seite kopfschüttelnd wissen.
Ein Aktionsplan, mit dem bis 2015 ein Durchbruch erzielt werden könnte, fehlt im Gipfel-Abschlussdokument. Monatelang hatten sich vor allem nichtstaatliche Organisationen dafür stark gemacht – vom Kampagnen-Bündnis „Deine Stimme gegen Armut“ („5 vor 2015“) bis zum Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) und „Brot für die Welt“ („Keine halben Sachen“). Die Christoffel-Blindenmission (CBM) forderte zudem, die Belange von Behinderten in den Millenniumszielen zu berücksichtigen. Das sei bisher nicht geschehen, und der Gipfel in New York sei die letzte Gelegenheit, das zu korrigieren.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon kündigte kurz vor Schluss an, 40 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren, um das Leben von 16 Millionen Frauen und Kindern zu retten (MDG 4 und 5). Zu den Geldgebern gehören neben Staaten auch private Unternehmen und Stiftungen; wie viel Geld davon aus Umwidmungen stammt, blieb unklar. Ansonsten wurden die Geber nur aufgefordert, Zeitpläne zur Einlösung ihrer zahlreichen unerfüllten Hilfsversprechen vorzulegen.
Derweil ist längst klar: Die Haushaltsmittel des BMZ sollen sinken – bis 2014 um rund 400 Millionen Euro. Und weil das unschön auf die ODA-Quote drückt, schlug Minister Niebel unlängst vor, Steuer-ersparnisse der Bürger aus privaten Spenden an Hilfsorganisationen künftig als ODA-Leistungen zu deklarieren. Das brächte „keinen einzigen zusätzlichen Euro für die Armutsbekämpfung“, monierte Misereor-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon, Venro sprach von Trickserei. Um die MDGs noch zu erreichen, führe an frischem Geld nun einmal nichts vorbei.