Bitteres Pulver

Milchkrise

Nach mehr als drei Jahrzehnten hat die Europäische Union in diesem Jahr die Milchquote abgeschafft. Darunter leiden nicht nur die Milchbauern hier, sondern auch die Hirten in Entwicklungsländern.

Die Quote ist im April weggefallen – seitdem steigt die Milchproduktion in den Ländern der Europäischen Union (EU). Das hat zu einem Preisverfall geführt: Zwischenzeitlich kostete ein Liter Milch in Deutschland knapp 27 Cent. Die Milchquote war 1984 von der Europäischen Gemeinschaft (EG) eingeführt und 1993 von der EU übernommen worden. Sie sollte die Milchproduktion in den Mitgliedstaaten beschränken, um das Angebot begrenzt und den Preis für Milcherzeugnisse stabil zu halten.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt kündigte jüngst an, den europäischen Milchexport stärker zu fördern, um den Preisverfall der Milch zu stoppen. Bauern- und Entwicklungsorganisationen kritisieren das: Afrika drohe, zur „Resterampe für EU-Exporte zu werden“, heißt es in einer Studie von Germanwatch, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Brot für die Welt und Misereor.  

Milchpulver für Westafrika

Das gelte vor allem für Milchpulver. Die Ausfuhren nach Westafrika seien bereits seit 2009 um das Zweieinhalbfache gestiegen, heißt es in dem Papier. Die billigen Importe nach Nigeria, Mali oder Kamerun verhinderten, dass lokale Milchbauern Zugang zu eigenen Märkten finden. Damit verschlechtere sich die wirtschaftliche Lage von Hirtenfamilien, die etwa ein Drittel der Bevölkerung ausmachen.

Mit dem Wegfall der Quote in Europa verschärfe sich das Problem: Viele Molkereien setzten nun darauf, die Überschüsse in Form von Milchpulver zu exportieren. Manche stellen sogar ihre ganze Produktion darauf um, erklären die Verfasser der Studie. Die EU ist mit etwa 156 Millionen Tonnen der größte Erzeuger von Milchprodukten weltweit. Zwei Drittel ihrer Milchexporte sind Milch- und Molkepulver.

Um den Absatz von Voll- und Magermilchpulver zu sichern, kauften europäische Molkereien zunehmend westafrikanische Unternehmen auf – und nutzten dort überwiegend das importierte Milchpulver, das zu Trinkmilch oder Joghurt verarbeitet wird. Der multinationale Lebensmittelkonzern Danone etwa hält laut Studie bereits 40 Prozent Anteil an der größten kenianischen Molkerei. Das in den Niederlanden beheimatete Unternehmen Friesland Campina hingegen plane zumindest, in Nigeria künftig auch Milch aus nationaler Produktion zu verwenden. Bisher liegt dieser Anteil bei etwa zehn Prozent.

Freier Handel trifft globale Märkte

Das geplante Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements, EPA) wirke sich ebenfalls auf das Zusammenspiel zwischen europäischen Milchbauern und Entwicklungsländern aus, heißt es in der Studie weiter. Mit dem EPA soll den 16 ECOWAS-Mitgliedern sowie Mauretanien der freie Zugang zum EU-Markt gewährt werden. Die afrikanischen Staaten sollen im Gegenzug drei Viertel ihrer Einfuhrzölle senken; das übrige Viertel soll davon ausgenommen werden.

Für welche Produkte die Ausnahmen gelten, entscheiden die EWOWAS-Staaten selbst. Laut Studie wollen sie im Molkereisektor nur Frischprodukte wie flüssige Milch und Joghurt von reduzierten Zöllen auszuschließen, nicht jedoch Milchpulver. Die ohnehin niedrigen Zölle dafür sollen innerhalb weniger Jahre ganz abgeschafft werden.

Molkereien sollen achtsam sein

Statt mehr Exporten fordern die Autoren der Studie eine Rückkehr zur politisch begrenzten Milcherzeugung, um die Preise zu stabilisieren – und einen Strategiewechsel der Molkereien. Die sollten viel stärker darauf achten, woher sie die dort zu verarbeitende Milch beziehen: Im besten Falle sollte sie von landwirtschaftlichen Betrieben stammen, die auf Weidehaltung und regionales Futter umgestellt haben. Die Rahmenbedingungen dafür wiederum solle die Politik schaffen. Die Produktion müsse insgesamt so weit gesenkt werden, dass Exporte von Massenprodukten wie Milchpulver nicht mehr notwendig seien.

Landwirtschaftsminister Schmidt hat im Oktober auch den Einzelhandel aufgerufen, Milch zu angemessen Preisen zu verkaufen, damit die Landwirte zumindest ihre Produktionskosten decken können. Auf die Rolle der Händler geht die Studie jedoch nicht ein.

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