„Die Kenianer werden für ihre Rechte kämpfen“

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Die 36-jährige Kenianerin Regina Opondo arbeitet für CRECO, einen Dachverband von 23 zivilgesellschaftlichen Gruppen in Kenia. CRECO hat lange für die Reform der kenianischen Verfassung gekämpft und setzt sich nun dafür ein, dass sie umgesetzt wird.
Zivilgesellschaft
Die kenianische Regierung will zivilgesellschaftliche Organisationen stärker kontrollieren. Sie wirft ihnen vor, zu stark vom Westen beeinflusst zu sein. Die Aktivistin Regina Opondo erklärt, was das für ihre Arbeit bedeutet, und warum sie und ihre Mitstreiter trotzdem nicht aufgeben.

Frau Opondo, Sie setzen sich seit rund zehn Jahren vor allem für gute Regierungsführung ein. Was treibt Sie an?
Mir sind die großen Ungerechtigkeiten in meiner Heimat schon aufgefallen, als ich sehr jung war. Ich fragte mich, warum manche Menschen arm sind und andere nicht. Warum manche Menschen Wasser haben und andere nicht. Ich selbst wurde mit dem Auto zur Schule gebracht, andere Kinder hatten noch nicht einmal Schuhe, um damit in den Unterricht zu kommen. Wieder andere konnten sich die Grundschule nicht leisten, obwohl sie doch unentgeltlich und für alle offen sein sollte. Hinzu kam das politische Klima im Kenia der 1980er Jahre. Das Regime des damaligen Präsidenten Daniel arap Moi war diktatorisch, und die Gesellschaft fing an, dagegen aufzubegehren. Ich hatte immer deutlicher das Gefühl, dass mit dieser Welt etwas nicht stimmte. Und ich fragte mich schon sehr früh, was ich tun könnte, um das in Ordnung zu bringen.

Kenia ist seit Anfang der 1990er Jahre wieder ein Mehrparteienstaat und hat seit 2010 eine neue Verfassung, die in vielen Punkten vorbildlich ist. Viele Menschen fürchten aber, dass das Land politisch in die 1980er Jahre zurück fällt. Teilen Sie diese Sorge?
Das Risiko ist tatsächlich hoch. Aber noch sind wir da nicht, und das liegt nicht zuletzt daran, dass sich die Kenianerinnen und Kenianer verändert haben. Sie sind sich ihrer Rechte bewusster als damals. Ich glaube nicht, dass sie sich etwas davon nehmen lassen werden, ohne darum zu kämpfen.

Welchen Repressionen sieht sich die Zivilgesellschaft im Moment ausgesetzt?
Es gibt Versuche, Errungenschaften der neuen Verfassung wieder außer Kraft zu setzen. Ein Beispiel ist der gegenwärtige Kampf um die Frauenquote von einem Drittel in Parlamenten, im Senat, in den Parlamenten der Landkreise und in der öffentlichen Verwaltung. Außerdem beschneidet die Regierung den demokratischen Spielraum von Bürgerinnen und Bürgern immer stärker: durch Gesetzesänderungen und Propaganda gegen Menschenrechtsaktivisten oder zivilgesellschaftliche Organisationen. Deren Mitglieder werden eingeschüchtert und bedroht.

Können Sie Beispiele nennen?
Die Regierung hat ein Gesetz zur Abänderung der Sicherheitsgesetze ins Parlament gebracht. Kenia hat tatsächlich ein Problem mit dem islamistischen Terrorismus. Aber nach der Vorlage der Regierung wären die Versammlungs-, Meinungs- und Redefreiheit praktisch abgeschafft worden. Die Pressefreiheit sollte drastisch beschnitten werden. Viele Punkte in dem Entwurf hat das Parlament abgelehnt oder abgemildert, aber die drakonischen Strafen gegen Medien etwa blieben bestehen. Auf „Diffamierung“ stehen umgerechnet 20.000 Euro Strafe. Journalisten werden künftig wahrscheinlich versuchen, sensible Themen zu meiden.

Wie wird der Spielraum von nichtstaatlichen Organisationen beschnitten?
Seit etwa zwei Jahren nimmt der Druck auf uns stark zu. Dazu gehört der Versuch, Freiräume auch gesetzlich zu beschneiden. Schon vor den jüngsten Präsidentschaftswahlen im März 2013 verabschiedete die Regierung ein Gesetz über gemeinnützige Organisationen. An der Ausarbeitung dieser Vorlage war die Zivilgesellschaft beteiligt. Damals waren sich alle einig, dass die Organisationen einen klaren gesetzlichen Rahmen brauchen, um effektiver arbeiten und besser zur Rechenschaft gezogen werden zu können. Das Gesetz wurde noch unter dem vorigen Präsidenten Mwai Kibaki verabschiedet, er hat es im Januar 2013 unterzeichnet. Trotzdem trat es nie in Kraft. Seit Oktober 2013 versucht die jetzige Regierung unter Uhuru Kenyatta, das Gesetz zu verändern. Eine der neuen Regeln sollte sein, dass die Organisationen nur noch 15 Prozent ihrer Finanzen aus dem Ausland beziehen dürfen. Faktisch werden aber die meisten Hilfsorganisationen und zivilgesellschaftlichen Gruppen zu fast 90 Prozent von ausländischen Gebern finanziert. Durch ein solches Gesetz wäre die Szene also tot. Dieser Punkt ging so nicht durch das Parlament, aber noch ist nicht abschließend darüber entschieden, wie der Staat die Organisationen künftig stärker kontrollieren will.

Nutzt die Regierung das Argument des Kampfes gegen den Terrorismus auch gegen zivilgesellschaftliche Gruppen?
Ja. Ende vergangenen Jahres hat die Aufsichtsbehörde der gemeinnützigen Organisationen bekannt gegeben, dass sie einer Reihe die Anerkennung entzogen habe. 15 von ihnen unterstützten angeblich den Terrorismus. Es wurden keine Namen genannt, wir wussten nicht, um welche Organisationen es ging. Dann hörten wir bis April nichts mehr. Nach dem Anschlag auf die Universität von Garissa Anfang April wurden die Konten von drei Organisationen eingefroren, weil sie angeblich den Terrorismus fördern, dieses Mal wurden Namen genannt. Die Organisationen mussten der Polizei alle ihre Bücher und Unterlagen übergeben. Dann hat die kenianische Steuerbehörde ihre Büros durchsucht mit der Begründung, sie hätten Steuern hinterzogen. Am Ende stellte sich heraus, dass die angeblichen Verbindungen zum Terrorismus nicht belegbar waren. Ein Gericht urteilte Mitte Juni, dass die Organisationen von der Liste der Gruppen entfernt werden müssen, die Terror unterstützen. Ihre Konten sind aber immer noch eingefroren, die Mitarbeiter bekommen kein Gehalt und sie haben ihre Krankenversicherung verloren. Und bei so schwerwiegenden Vorwürfen besteht immer die Gefahr, dass im öffentlichen Bewusstsein etwas hängen bleibt.

Seit wann geht die Regierung denn mit dieser Härte gegen die Zivilgesellschaft und Hilfsorganisationen vor?
Zwischen Regierung und Zivilgesellschaft gibt es immer Spannungen, das ist ganz natürlich, weil sie sich gegenseitig kontrollieren. Aber in Kenia wird die Repression seit den Wahlen 2013 immer stärker. Meiner Ansicht nach hat das mit den Verfahren des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Präsident Kenyatta und Vizepräsident William Ruto zu tun; das Verfahren gegen Kenyatta wurde inzwischen eingestellt. Hintergrund sind die ethnischen Ausschreitungen nach den Wahlen 2007, bei denen mehr als 1000 Menschen getötet wurden. Ich habe den Eindruck, dass die Regierung und ihre Anhänger uns Aktivisten vorwerfen, wir hätten Menschen vor den ICC gebracht, die in Kenia am Ruder sind. Meinem Eindruck nach sieht die Regierung ihre Chance, sich an uns für das ICC-Verfahren zu rächen.

Wie läuft die Lobby-Arbeit gegen die Repressionen der Regierung?
Wir organisieren Veranstaltungen, in denen wir über die geplanten Veränderungen im Gesetz über gemeinnützige Organisationen aufklären, wir fordern von der Regierung Informationen darüber, wie der Stand der Planungen ist. Eine von der Regierung eingesetzte Kommission hat Vorschläge zur Änderung der Änderungen erarbeitet, aber ihr Bericht wurde bisher nicht veröffentlicht. Wir fordern zum Beispiel, dass die Ergebnisse nicht länger geheim gehalten werden, sondern öffentlich diskutiert werden können.

Das Gespräch führte Bettina Rühl.

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erschienen in Ausgabe 8 / 2015: Demokratie: Die bessere Wahl
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