Am weitesten verbreitet sind zwei aus den USA stammende Indizes. Laut dem Polity-Index gelten Regime als Demokratie, wenn die Regierung durch freie, faire und offene Wahlen bestimmt wird und sie vom Parlament oder anderen Institutionen kontrolliert wird. Alle politischen Systeme seit 1800 werden auf einer Skala von -10 bis +10 verortet, wobei grob Autokratien, Anokratien (Mischformen) und Demokratien unterschieden werden. Die Bewertungen beruhen auf der subjektiven Einschätzung der beteiligten Forscher. Der Fokus auf politische Institutionen macht den Polity-Index gut geeignet für breit vergleichende Studien. Die Kehrseite ist seine politische Schlagseite: Die USA waren demnach dank ausgeprägter Checks and Balances schon eine perfekte Demokratie, als weder Frauen noch alle Afroamerikaner wählen durften.
Das heutige Frankreich verfehlt dagegen die volle Punktzahl. Der Organisation Freedom House geht es nicht primär um Demokratie. Anhand von zwei Indikatoren – bürgerliche Freiheiten und politische Rechte – misst die Organisation in ihren jährlichen Berichten vielmehr, ob ein Land frei, teilweise frei oder nicht frei ist. Viel stärker als bei Polity rückt damit die Verfassungswirklichkeit ins Zentrum. Freie Länder gelten zugleich als „liberale Demokratien“ und teilweise freie Länder als „elektorale Demokratien“, falls die Qualität der Wahlen und die politischen Rechte bestimmte Mindeststandards erfüllen. Die Bewertungen beruhen auf den Einschätzungen eines Expertenpools. Auch der Freedom House Index besticht durch seine Reichweite, umstritten ist aber das subjektive Bewertungsverfahren. Auch hier ist der Standard von US-Vorstellungen abgeleitet.
In Deutschland bewertet der von der Bertelsmann-Stiftung herausgegebene Transformationsindex (BTI) unter anderem den Status der Demokratie. Die fünf Kriterien dafür drücken ein anspruchsvolles Verständnis von liberaler Demokratie aus, das dem deutschen Modell sehr nahe kommt: Staatlichkeit, politische Beteiligung, Rechtsstaatlichkeit, die Stabilität demokratischer Institutionen und das Ausmaß politischer und gesellschaftlicher Integration. Der BTI existiert allerdings erst seit den 2000er Jahren und erfasst nur die breit definierte Gruppe der „Entwicklungs- und Transformationsländer“.
Bei allen Unterschieden stützen sich alle drei Indizes auf ein im Kern liberales Demokratieverständnis, das Wahlwettbewerb, Machtkontrolle und individuelle Bürgerrechte betont. Eine Alternative bietet das Varieties of Democracy-Projekt. Es untersucht zusätzlich, inwieweit einzelne Bürgerinnen und Bürger sich direkt beteiligen können (partizipative Demokratie), das politische System Foren für öffentliche Beratung bietet (deliberative Demokratie) und politische Machtressourcen gleich verteilt werden (egalitäre Demokratie). Auf dieser Basis zeigt sich beispielsweise, dass in Bolivien unter der Regierung von Evo Morales seit 2006 die Achtung der individuellen Bürgerrechte schlechter, aber die Beteiligungsmöglichkeiten besser geworden sind.
Polity Index: www.systemicpeace.org/polityproject.html
Freiheit in der Welt: www.freedomhouse.org
Transformationsindex: www.bti-project.de
Variety of Democracies: https://v-dem.net
Neuen Kommentar hinzufügen