„Bürgerhaushalte müssen sich an Ergebnissen messen lassen“

Lateinamerika gilt als Heimat der Bürgerhaushalte. Aber auch in Afrika gibt es Beispiele. Laut George Matovu, einem Experten für Kommunalpolitik von der Organisation Municipal Development Partnership (MDP) in Simbabwe, passen sie gut zu dem Kontinent, weil dort Beteiligung und Konsensbildung traditionell wichtig sind.

Welche Rolle spielen Bürgerhaushalte in Afrika?

Ich kenne ihre genaue Anzahl nicht, aber es gibt sie überall in Afrika. Der Schwerpunkt ist ein anderer als in Europa oder Lateinamerika. Dort ist das Thema, wie man Mittel besser verteilen kann. Bei uns geht es darum, dass Kommunen überhaupt genügend Ressourcen erhalten, um Dienstleistungen wie Wasser, Verkehr, Schulen und Krankenhäuser zur Verfügung zu stellen. Das Problem der meisten afrikanischen Kommunen liegt darin, dass Steuern von der Zentralregierung erhoben und verwaltet werden. Kommunen verfügen nur über kleine eigene Budgets.

Wer führt die Bürgerhaushalte ein? Regierungen? Oder fordert die Zivilgesellschaft sie ein?

Die meisten werden im Rahmen einer Entwicklungsstrategie der „guten Regierungsführung“ und der Dezentralisierung von oben eingesetzt, oft auch auf Initiative internationaler Geldgeber. Es gibt aber auch Bürgerhaushalte, zum Beispiel im ländlichen Senegal, die von unten gewachsen sind. Grundsätzlich passen sie gut in unsere Kultur, weil bei uns Partizipation und Konsensbildung traditionell wichtig sind.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Bürgerhaushalte in Gang kommen?

Bei den Einwohnern muss ein Bewusstsein entstehen, dass ihre Beteiligung wichtig ist. Grundlegende Voraussetzung ist neben einem Minimum an politischer Stabilität vor allem eine Zivilgesellschaft, die ihre Stimme erhebt.

Könnte man in chaotischen Megastädten wie Lagos oder Kairo Bürgerhaushalte einführen?

Im Prinzip ja, man müsste sie nur neu strukturieren und in dezentrale Einheiten aufteilen.

Wo funktionieren Bürgerhaushalte besonders gut?

Erfolgreiche Beispiele gibt es in Fissel (Senegal), Durban (Südafrika) sowie in Simbabwe und Tansania. Gerade in Simbabwe haben Kommunen einiges Gewicht. Gemeinden verfügen über eigene Einnahmen und weitreichende Entscheidungsbefugnisse. Im ländlichen Distrikt Mutoko hat die Beteiligung der Bürger am Haushalt geholfen, die Massenproteste gegen Preiserhöhungen bei den städtischen Dienstleistungen einzudämmen. Auch im Singida District in Tansania konnte ein Bürgerhaushalt mit mehr Transparenz die Menschen überzeugen, ihre Abgaben zu bezahlen. Dadurch sind die städtischen Einnahmen gestiegen. Ein Bürgerhaushalt muss sich an Ergebnissen messen lassen. Ziel muss sein, die kommunalen Dienstleistungen zu verbessern. Wenn ein Bürgerhaushalt sauberes Wasser, besseren Nahverkehr oder ein funktionierendes Stromnetz bringt, wird das die Bürger überzeugen – und die Politiker davon abhalten, den Prozess für sich zu vereinnahmen.

Kann der Bürgerhaushalt dazu beitragen, Klientelwirtschaft und Korruption zu bekämpfen?

Beides schafft in der Tat große Probleme in afrikanischen Ländern, aber viele Menschen arbeiten daran, sie zu bekämpfen. Ja, der Bürgerhaushalt kann dazu beitragen.

Das Gespräch führte Claudia Mende.

 

George Matovu ist Direktor der Organisation Municipal Development Partnership (MDP) für das südliche und östliche Afrika. Die Organisation engagiert sich für die Dezentralisierung in Afrika und wird von der Weltbank unterstützt.

 

erschienen in Ausgabe 3 / 2010: Mobilität - Die täglichen Wege
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