Schadet TTIP den Entwicklungsländern?

(20.06.2014) Die Verhandlungen zwischen den USA und Europa über ein Transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP) sind bislang vor allem bei Verbraucherschützern und Gewerkschaftern auf harsche Kritik gestoßen. Nun schlagen auch Entwicklungspolitiker Alarm.

Bei einer Anhörung des Bundestagsausschusses für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AWZ) Anfang Juni warnte die SPD davor, ein Abkommen der beiden Wirtschaftsblöcke würde Teile der für 2015 angestrebten UN-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung untergraben, der sogenannten SDGs. „Wir dürfen nicht den Fehler machen, auf der einen Seite SDGs zu diskutieren und Ziele zu vereinbaren und parallel dazu Handelsabkommen abschließen, die dem widersprechen“, mahnte Stefan Rebmann, der stellvertretende Vorsitzende des AWZ.

Rebmann bezog sich auf die acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die vom Schutz der Vereinigungsfreiheit bis zum Verbot der Kinderarbeit reichen und international Mindeststandards setzen. Die USA haben davon nur zwei anerkannt. Wie könne der Norden glaubwürdig bei den SDG-Verhandlungen oder bei Freihandelsgesprächen mit Entwicklungsländern auf Arbeitsstandards in globalen Lieferketten pochen, wenn diese nicht einmal vom größten Handelspartner respektiert würden?

Die „großen Drei“ setzen die Standards im Welthandel

Überhaupt würde ein transatlantischer Pakt die Landschaft multilateraler Handelsregeln gravierend verändern. Was die EU und USA aushandeln, soll zum Modell für weitere geplante Abkommen der beiden Partner mit der Volksrepublik China werden. Von der dadurch entstehenden Dominanz würden Schwellen- und Entwicklungsländer, vollends an den Rand gedrängt. Globale Standards für Handel und Investitionen für die nächsten Dekaden setzen dann nur noch die „großen Drei“. Die Entwicklungsländer werden auf bilateraler Ebene keine besseren Deals aushandeln können. „Mit TTIP wird ein paralleles Welthandelssystem aufgebaut, während die Welthandelsorganisation, bei der alle Länder formal das gleiche Mitspracherecht haben, enorm geschwächt wird“, kritisiert Uwe Kekeritz von den Grünen.

Doch gerade die EU müsse die Nachteile der Liberalisierungsagenda auf Entwicklungsländer im Auge behalten, forderte Clara Brandi vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) bei einem Fachgespräch der Grünen in Berlin. Deutschland und die EU stünden in der Verantwortung, die entwicklungspolitischen Ziele der Union voranzubringen. Denn zwischen Brüssel und Washington ausgehandelte Regeln für den Markteintritt könnten sich nachteilig auf andere Länder auswirken. So verändern Zollsenkungen und Veränderungen bei so genannten nicht-tarifären Handelshemmnissen wie Qualitätsstandards oder Herkunftsangaben die Wettbewerbsbedingungen und leiten Warenströme um.

Schlechte Karten für Länder Nord- und Westafrikas

Den Schaden hätten nach einer Studie des Ifo-Instituts der Deutschen Wirtschaft für die Bertelsmann-Stiftung vor allem die Entwicklungsländer. Sie würden als Folge von TTIP in der EU und den USA deutlich an Marktanteilen verlieren. Vor allem die Länder in Nord- und Westafrika handeln traditionell intensiv mit Europa, besonders mit Frankreich und Belgien.

Die Liste der Verlierer wird von Elfenbeinküste und Guinea angeführt, aber auch Uganda oder Tansania müssten mit starken Verlusten rechnen. Gerade Agrarprodukte aus dem globalen Süden könnten von gemeinsamen Absatzmärkten der TTIP-Zone fern gehalten werden, mahnt Jürgen Knirsch von Greenpeace. Unter den 25 am stärksten betroffenen Ländern rangieren laut der Studie auch elf Länder aus Lateinamerika und der Karibik, deren Handel mit der EU und der USA sich bei weitem nicht auf die Landwirtschaft beschränkt. 

Das Bundesentwicklungsministerium wertet offenbar noch zwei weitere Studien über mögliche Folgen eines transatlantischen Handelsabkommens aus. Dem Vernehmen nach kommen sie zu unterschiedlichen Ergebnissen.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2014: Lobbyarbeit: Für den Nächsten und sich selbst
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