Ohne Mumm in die nächsten vier Jahre

(28.11.2013) Der Koalitionsvertrag steht – und beim Lesen stellt sich der Eindruck ein, als sei den Unterhändlern von CDU/CSU und SPD im letzten Kapitel zur Entwicklungszusammenarbeit schlicht die Luft ausgegangen: so lust- und ideenlos liest sich das, was den Koalitionären dazu eingefallen ist. Oder war das sogar Absicht?

Nicht so richtig glücklich, aber auch nicht völlig enttäuscht – so lassen sich die ersten Reaktionen von Entwicklungsorganisationen wie Misereor und  des Dachverbands Venro auf den Koalitionsvertrag zusammenfassen. Das passt zum Inhalt: Im Kapitel zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit ist für jeden etwas dabei – ein bisschen Frieden, gerechtere Welthandelsbedingungen, Schutz globaler öffentlicher Güter, gegen „unverantwortliche“ Spekulation mit Nahrungsmitteln, Gesundheit, Bildung und Lob für die Zivilgesellschaft. Das lässt sich alles schmerzlos abnicken. Doch welche Schwerpunkte soll die deutsche Entwicklungspolitik in den kommenden vier Jahren haben? Welche Rolle soll das zuständige Ministerium spielen? Und wie wird sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in der internationalen Entwicklungsarchitektur positionieren? Dazu sagt der Text nichts.


Dagegen war der Koalitionsvertrag von vor vier Jahren zwischen der Union und der FDP wohltuend aussagekräftig. Da war klar, wohin die Reise gehen sollte: mehr Effizienz, mehr Privatwirtschaft, bessere internationale Arbeitsteilung. Möglicherweise  wollten die künftigen Koalitionäre von SPD und CDU/CSU den Anschein genau solcher Zielstrebigkeit vermeiden. Denn viele in der entwicklungspolitischen Szene hat der Haudrauf-Stil der FDP-Entwicklungspolitik, der bereits im Koalitionsvertrag zum Ausdruck kam und den Dirk Niebel dann mit Wucht vier Jahre exekutiert hat, arg verschreckt, wenn nicht sogar angewidert. Vielleicht also will die neue Koalition die Entwicklungspolitik nach den vergangenen vier turbulenten Jahren ja einfach etwas zur Ruhe kommen lassen. Das wäre nachvollziehbar. Bedenklich wäre hingegen, wenn die Entwicklungspolitiker von SPD und CDU/CSU tatsächlich so antriebslos sind, wie es im Koalitionsvertrag klingt.

Gut versteckt: Ein Missbrauch der Entwicklungshilfe

Bedenklich wäre das auch deswegen, weil im Gegensatz dazu die Innenpolitiker der Koalitionspartner offenbar klare Vorstellungen davon haben, wofür Entwicklungszusammenarbeit auch gut sein kann: als Druckmittel, um arme Länder dazu zu bewegen, aus Deutschland abgeschobene Flüchtlinge und Migranten wieder aufzunehmen. So muss man das wohl verstehen, wenn es im Koalitionsvertrag heißt, Migrations-, Außenpolitik und Entwicklungspolitik müssten besser ineinandergreifen, wenn es um „Rückkehrförderung und Identitätsklärung“ von Flüchtlingen gehe. Die neue Regierung tritt damit in die Fußstapfen der Schweiz, wo dieser Missbrauch von Entwicklungshilfe ebenfalls Anhänger in der Regierung hat. In Österreich hingegen stieß ein entsprechendes Ansinnen der rechtskonservativen FPÖ im vergangenen Jahr auf Ablehnung.


Bleibt die Debatte ums Geld: Um zwei Milliarden Euro will die neue Regierung in den kommenden vier Jahren die Leistungen für Entwicklungszusammenarbeit erhöhen. Das reicht nicht, damit Deutschland auf 0,7 Prozent seiner Wirtschaftsleistung kommt, maulen die NGOs pflichtgemäß. Das stimmt, wäre aber trotzdem ein dicker Batzen: ein Fünftel mehr im Vergleich zu den Ausgaben 2012. Abgesehen davon wird das sogenannte 0,7-Prozent-Ziel die Legislaturperiode möglicherweise ohnehin nicht überleben. Auf internationaler Ebene wird längst über ein neues Konzept für „offizielle Entwicklungshilfe“ beraten. Und Deutschland will sich daran aktiv beteiligen, heißt es im Koalitionsvertrag. (ell)
 

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erschienen in Ausgabe 12 / 2013: Unser täglich Fleisch
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