„Die Emirate haben sich in Afrika Einfluss gesichert“

Golfstaaten
Die Vereinigten Arabischen Emirate sind einer der größten Investoren in Afrika. Ein Schwerpunkt sind für sie Seehäfen, aber das Land treibt auch Entwicklungspolitik und sucht Rohstoffe, sagt ein Kenner der Golfregion.

Sebastian Sons ist Senior Researcher bei der Forschungseinrichtung CARPO in Bonn.

Laut dem britischen Guardian sind die VAE jetzt in Afrika der größte Investor, noch vor China. Stimmt das und wo investieren sie in Afrika? 
Dazu gibt es unterschiedliche Zahlen. Vertreter der Emirate haben kürzlich gesagt, sie seien der viertgrößte Investor in Afrika nach China, den USA und der EU. Aber klar ist: Sie investieren stark am Horn von Afrika, wo sie auch politisch Einfluss nehmen, und in anderen Ländern etwa in Westafrika. Seit dem Arabischen Frühling haben sie sich auch stark in Nordafrika engagiert.

In welche Sektoren investieren die Emirate?
Besonders in mit dem Seehandel verbundene Infrastruktur wie Häfen. Staatsnahe Unternehmen kaufen Beteiligungen an Projekten und gehen Joint Ventures mit afrikanischen  Firmen ein. Insbesondere das Hafenunternehmen Dubai Ports World (DP World) hat in Afrika eine Reihe Hafenkonzessionen erworben. Sie bauen häufig auch selbst Infrastruktur und schließen dafür Verträge mit Partnerländern. Anders als China bringen sie dazu nicht eigene Arbeitskräfte mit, sondern setzen auf lokale Kräfte. Deshalb sind sie in Afrika oft als Partner beliebter und können mit China konkurrieren.

Liegt das daran, dass in den VAE selbst überwiegend Migranten aus anderen Ländern arbeiten? 
Ja, aber die VAE könnten ja auch für Afrika Arbeitskräfte zum Beispiel in Südasien anwerben. Das tun sie nicht. So können die Partnerländer in Afrika auch Jobs schaffen, und ich habe gehört, das sei für viele deutlich attraktiver als Zusammenarbeit mit China. Die Strategie der VAE ist, mit ihren staatsnahen Firmen ein Netzwerker in der Hafeninfrastruktur zu werden. Es geht da auch um militärische Präsenz, besonders am Roten Meer. Am Krieg im Jemen waren die Emirate militärisch beteiligt und haben sich dann zwar zurückgezogen, kooperieren aber weiter mit ihren lokalen Partnern – häufig von den Hafenstützpunkten aus.

Die Emirate bauen nicht wie China Straßen, Staudämme oder Fußallstadien?
Mit Prestigeprojekten wie Stadionbauten Diplomatie zu betreiben, spielt für sie keine Rolle. Aber in Straßen investieren sie schon und auch in die Ausbeutung von kritischen Bodenschätzen und in Landkäufe. Die VAE sind ein relativ kleines Land und abhängig vom Import von Nahrungsmitteln und Agrargütern. Sie brauchen Afrika als Rohstofflieferant und investieren auch in erneuerbare Energien in Afrika, etwa Solarenergie und Wasserstoff. Die VAE wollen Erdöl nutzen, aber auch grüne Energiequellen testen und international zeigen, dass das Land nicht nur eine Dreckschleuder ist. Darüber hinaus geht es um Marktzugang und politische Macht. Für die VAE sind Partnerschaften auch ein Gütesiegel dafür, dass sie im globalen Süden als einflussreich akzeptiert und als aufstrebende Mittelmacht gesehen werden, die sich unersetzlich macht. Ich halte das für die treibende Kraft hinter den Investitionen und dem sicherheitspolitischen Engagement der VAE in Afrika.

Hängt das mit der Rivalität zu Saudi-Arabien zusammen, etwa im Sudan und im Jemen?
Das ist einer der Gründe. In beiden Staaten unterstützen die Emirate andere Kriegsparteien als die Saudis. Wenn man das in den Emiraten oder Saudi-Arabien anspricht, nennt man es dort lieber gesunde Konkurrenz. Mit ihrer Vision 2030 und mit ihrer wirtschaftlichen Expansion kopieren die Saudis neuerdings in gewisser Weise die VAE. Für sie geht es direkt um die eigene Sicherheit, weil Saudi-Arabien am Roten Meer liegt: Wenn Saudi-Arabien ein Megaprojekt wie die Zukunftsstadt Neon an der Küste erfolgreich umsetzen möchte, braucht es Stabilität auf der gegenüberliegenden Seite, also am Horn von Afrika. Die Emirate sind da weiter weg. Aber bei der Frage, wer afrikanischen Partnern das bessere Angebot macht, sind die VAE den Saudis noch voraus. Sie haben früher angefangen, sind schneller und effizienter und haben sich mit Dubai als Handelsdrehscheibe besser aufgestellt. In Saudi-Arabien sind viele enttäuscht, dass die VAE so wohlwollend wahrgenommen werden und Saudi-Arabien so negativ, obwohl beide in vielen Bereichen ähnlich vorgehen. Das zeigt, wie clever die VAE ihr Image gepflegt haben und wie klug sie es schaffen, für ihre umstrittene Politik in der Nahostregion oder Afrika weniger Gegenwind zu bekommen als Saudi-Arabien. Auch in Europa scheinen viele in der Politik die VAE als verlässlicheren und glaubwürdigeren Partner anzusehen als Saudi-Arabien. 

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Haben die Investitionen der Emirate in Afrika auch damit zu tun, dass sie schon lange Entwicklungs- und Nothilfe leisten? 
Ja. Das ist wichtig und wird häufig vergessen. Die VAE betreiben ähnlich wie Katar, Kuwait und Saudi-Arabien seit vielen Jahrzehnten intensiv Entwicklungspolitik. Nicht nur humanitäre Hilfe; die staatlichen Entwicklungsfonds der vier Länder – in den VAE der Abu Dhabi Fund for Development – haben sich in Afrika entwicklungspolitischen Einfluss gesichert. Und in jüngster Zeit wird das enger mit privatem Investment verzahnt, zum Beispiel dem von Energiefirmen wie Masdar, die in Afrika investieren. Da wird Entwicklungspolitik als Treiber für Investitionspolitik genutzt.

War die Entwicklungspolitik der Golfländer nicht lange auf die islamische Welt konzentriert?
Das ist auch immer noch so. Die vier Golfstaaten, die Entwicklungspolitik treiben, denken dabei sozusagen in konzentrischen Kreisen: Der erste ist die direkte Nachbarschaft – Länder wie Irak, Jordanien, Libanon und Jemen, die für sie von strategischem Interesse sind. Der zweite Kreis ist die islamische Welt, wo man Verantwortung für Notleidende entsprechend islamischen Geboten zeigt. Das gilt vor allem für Saudi-Arabien, das als Hüter der Heiligen Stätten noch eine andere religiöse Stellung in der islamischen Welt hat als die VAE. Doch die vier Länder engagieren sich auch über diese beiden Kreise hinaus, und da hat sich vor allem die VAE in den vergangenen Jahren sehr pragmatisch gezeigt: Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe werden nicht mehr daran geknüpft, ob es sich um islamische Länder handelt, sondern an geostrategische und wirtschaftspolitische Erwägungen.

Das Gespräch führte Bernd Ludermann. 

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