Als visionslos, ohne Wegweiser und Visionen hatte die Opposition vor fünf Jahren das „Weißbuch Entwicklungspolitik“ von SPD-Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul kritisiert. In der diesjährigen Debatte um das Eckpapier der schwarz-gelben Koalition im Bundestag schossen die Gegner von FDP-Minister Dirk Niebel sich auf dessen „selbstherrliche“ Politik als „Cheflobbyist des deutschen Mittelstands“ ein. Ebenfalls im Kreuzfeuer: vermeintliche „Taschenspielertricks“ bei der Berechnung staatlicher Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit.
Schon bei der Pressevorstellung des Weißbuchs kehrte Niebel ganz den erfolgreichen Manager hervor, der die heimischen Durchführungsorganisationen umgebaut und Kooperationspotenziale mit der deutschen Wirtschaft gehoben habe. Die Opposition im Bundestag hingegen sprach dem Minister jegliche Eignung für seinen Posten ab: „Als Spuren im Sand werden eine alberne Militärmütze und ein fliegender Teppich bleiben“, gab der entwicklungspolitische Sprecher der SPD, Sascha Raabe, den Ton vor. „Das werden wir nicht vermissen.“
Niebel: Die GIZ ist die „größte Strukturreform in 51 Jahren“
In seinem Weißbuch nimmt Niebel für sich in Anspruch, die deutsche Entwicklungspolitik neu aufgestellt und deutlich wirksamer gestaltet zu haben. Es sei gelungen, „einen enormen Reformstau aufzulösen“, sagte er im Bundestag. Mit der Fusion der ehemaligen Vorfeldorganisationen GTZ, InWEnt und DED zur Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sei die „größte Strukturreform in 51 Jahren“ geglückt. Das neue unabhängige Evaluierungsinstitut schaffe mehr „tatsächliche Legitimität“.
Gegen alle Widrigkeiten hält das Weißbuch an dem Ausgabenziel von 0,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts bis 2015 für staatliche Entwicklungsleistungen fest. Wohl wissend, dass dies nur mit einem gewaltigen Kraftakt erreichbar wäre, verlor der Minister zu der eher mageren Haushaltsentwicklung allerdings kein Wort. Derzeit liegt die so genannte ODA-Quote bei 0,38 Prozent.
Autorin
Marina Zapf
ist Berlin-Korrespondentin von „welt-sichten“.Umso heftiger geißelten Sozialdemokraten und Grüne die Regierung für ihren „Wortbruch“: Ganze zehn Milliarden Euro in zwei Jahren müsste Deutschland zusätzlich aufbringen, wolle man die Entwicklungsleistung bis 2015 auf das Soll hochhebeln. Stattdessen würden laut Haushaltsplan bis dahin rund 172 Millionen Euro gekürzt. „Wie man durch eine Kürzung eine Steigerung erzielen will, erschließt sich mir nicht“, sagte Thilo Hoppe (Bündnis 90/Die Grünen), räumte aber zugleich ein, dass „dieses Pferd nun totgeritten“ sei.
Seine Parteikollegin Ute Koczy tat das Weißbuch insgesamt als eine „selbstbezogene Nabelschau“ ab. Selten klafften Selbstdarstellung und Wirklichkeit so weit auseinander. Wie der Vorstand eines DAX-Unternehmens preise Niebel „Win-Win-Situationen“ in einem angeblich entkrampften Verhältnis zur Wirtschaft. Doch da habe er den Auftrag falsch verstanden: „Sie sprechen Business, wo es um die Bekämpfung ungerechter Strukturen geht“, sagte Koczy und resümierte: „Das Experiment ‚Generalsekretär wird Entwicklungsminister‘ ist gescheitert.“
Die Linke: Niebel macht Politik, die Entwicklung verhindert
Dass deutsche Gelder „sorgfältig und nachhaltig eingesetzt“ werden, wie es Sibylle Pfeiffer (CDU) betonte, bezweifelte Heike Hänsel (Die Linke): „Sie stehen für eine Politik, die Entwicklung verhindert“, warf sie Niebel vor. Im Interesse der deutschen Wirtschaft gebe es im Entwicklungsministerium nun zwar einen „Rohstoff-Sonderbeauftragten“, aber niemanden, der gegen katastrophale Arbeitsbedingungen an asiatischen Werkbanken „die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards deutscher Unternehmen kontrolliert“.
Was in der Bundestagsdebatte kaum eine Rolle spielte – die Kohärenz der Politik der verschiedenen Ministerien und die Abstimmung untereinander –, hatte zuvor zu Spannungen zwischen den Ressorts geführt. Unter anderem hatte es dem Wirtschaftsministerium gar nicht gefallen, dass es sich laut einer Formulierung im Weißbuch Niebelschen Vorgaben unterordnen solle. Die Passagen wurden entsprechend entschärft.
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