Menschen mit Behinderungen sind nicht nur aufgrund ihres körperlichen Handicaps benachteiligt. In den vergangenen Jahren hat sich weltweit die Einsicht durchgesetzt, dass auch gesellschaftliche Barrieren – seien es soziale oder physische – überwunden werden müssen. Behinderung ist zu einem Menschenrechtsthema geworden, weil die Betroffenen oftmals systematisch diskriminiert werden. Vor allem Frauen sind betroffen, und das gleich aus mehreren Gründen: weil sie behindert sind, weil sie Frauen sind und weil sie arm sind.
Autor
Dr. Rainer Brockhaus
ist Direktor der Christoffel-Blindenmission Deutschland.Von den rund 650 Millionen Menschen mit Behinderungen weltweit leben 80 Prozent in Entwicklungsländern. Die meisten von ihnen haben keinen oder nur schlechten Zugang zu sozialen Diensten; Entwicklungsfortschritte kommen ihnen kaum zugute. Mit der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen soll sich das ändern.
Die Christoffel-Blindenmission und Handicap International (HI) haben deshalb 2008 gemeinsam die Disability Monitor Initiative – Middle East für Ägypten, Irak, Jordanien, Libanon, Palästina, Syrien und Jemen ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, die Gleichberechtigung und volle Teilnahme von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben in diesen Ländern zu erreichen. Gemeinsam mit den Partnern im Nahen Osten sollen die Situation von Menschen mit Behinderungen analysiert, gute Praxisbeispiele für ihre Inklusion ausgewählt und Entscheidungsträger in Politik und Gesellschaft in den Projektländern über politische Reformen auf nationaler und internationaler Ebene informiert und beraten werden.
Bislang hat sich die Christoffel-Blindenmission gemeinsam mit ihren Partnern vor allem darum gekümmert, für behinderte Menschen in den ärmsten Gesellschaftsschichten hochwertige sowie bezahlbare Angebote zur medizinischen Versorgung zu entwickeln. In Zukunft werden wir verstärkt unser Augenmerk darauf richten, die Gesetzgebung und die Politik in den CBM-Einsatzländern zu beeinflussen. Dazu brauchen wir Initiativen wie die im Nahen Osten. Unser Partner Bethlehem Arab Society for Rehabilitation (BASR) ist überzeugt, dass die Nahost-Initiative ein starkes Werkzeug der anwaltschaftlichen Arbeit wird. Zum Beispiel sollen die politischen Schritte hin zu einer Inklusion von Menschen mit Behinderung und vor allem die Zuteilung öffentlicher Mittel für diesen Zweck kritisch unter die Lupe genommen werden.
Die Initiative hat ganz im Sinne des so genannten Twin-Track-Ansatzes eine Sicht aus zwei Perspektiven auf das Thema Behinderung: Sie blickt zum einen auf die Ebene der politischen Entscheidungen, zum anderen auf die Auswirkungen in der Praxis und deren Einfluss auf das tägliche Leben von Menschen mit Behinderungen. Es geht darum, den Verantwortlichen durch Bereitstellung solcher Informationen zu helfen, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen.
Um die Konvention mit Leben zu füllen, sind Beispiele notwendig, wie Staaten die darin enthaltenen Rechte verwirklichen können. Genau das will die Nahost-Initiative leisten. Die CBM und Handicap International wollen deshalb in den kommenden Jahren Best-Practice-Beispiele auszeichnen und dazu motivieren, Ansätze zu verbessern, damit Menschen mit Behinderungen die gleichen Rechte und Chancen haben wie Menschen ohne Behinderung. Wie setzt man Inklusion in der Schule um? Wie stellen wir sicher, dass Menschen mit Behinderungen einen gleichberechtigten Zugang zu allen Dienstleistungen erhalten? Mit Beispielen, die Antworten auf Fragen wie diese geben, füllen wir die UN-Konvention mit Leben.
Ein weiterer Erfolgsfaktor für die UN-Konvention ist, dass Menschen mit Behinderungen an ihrer Verwirklichung beteiligt werden. In Hinsicht auf die Stellung von Behinderten ist der Nahe Osten auf einem guten Weg. So können die Länder dieser Region voneinander lernen – und die Welt kann davon lernen, was im Nahen Osten passiert.
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