Die drei Kommissare Michel Barnier (Binnenmarkt und Dienstleistungen), Dacian Ciolos (Agrarpolitik) und Kommissionsvizepräsident Antonio Tajani (Industrie und Unternehmerschaft) beschworen die versammelte Presse Anfang Februar geradezu, daran zu glauben, dass die Kommission vorerst gar nichts weiter vorhabe, als besser Bescheid wissen zu wollen, warum die Rohstoffpreise so stark steigen.
Autor
Heimo Claasen
ist freier Journalist in Brüssel und ständiger Mitarbeiter von "welt-sichten".Zuvor war das Schlimmste befürchtet worden, nachdem Tajani Ende November eine eigene „Strategie-Mitteilung“ zur Sicherheit der Versorgung der Europäischen Union mit Rohstoffen angekündigt hatte. Doch der Entwurf von Tajanis Abteilung geriet so dünn, dass er schon von den Einwänden anderer Kommissionsabteilungen gebremst wurde. Ähnlich erging es Barniers Vorhaben, die rein spekulativen Finanzgeschäfte anzugreifen, die auf den Märkten für Rohstoffe sowie Nahrungs- und Futtermittel als Preistreiber gelten.
Auf einen ersten Entwurf hagelte es bissige Kommentare
Auszüge des Tajani-Papiers zirkulierten im EU-Parlament und unter Entwicklungsorganisationen, es hagelte bissige Kommentare. Als auch noch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, frisch gebackener Vorsitzender der G20 für dieses Jahr, dazwischen fuhr und mehr Aufmerksamkeit für die Spekulation mit Nahrungsmitteln forderte, war das Chaos in der Kommission komplett. Denn Sarkozys Forderung, die Spekulation mit Nahrungsmitteln ins Zentrum zu rücken, wurde Ende Januar von den in Berlin zur „Grünen Woche“ versammelten Agrarministern aufgegriffen. Kommissionspräsident José Manuel Barroso blies die für Ende Januar angesetzte öffentliche Vorstellung Tajanis ab, verlangte die Zusammenlegung der Papiere von Tajani und Barnier und dazu einen Beitrag von Agrarkommissar Ciolos, der sich bislang geschickt um eine klare Aussage zur Spekulation mit Agrarrohstoffen gedrückt hatte.
Herausgekommen ist eines jener nichtssagenden EU-Papiere, die vielerorts gleich in der Ablage landen. Die stärkste Aussage dieser „Mitteilung“ mit dem Titel „Grundstoffmärkte und Rohstoffe: Herausforderungen und Lösungsansätze“ ist die, dass „zusätzliche zielgerichtete Regulierungsmaßnahmen“ wie etwa ein Mengenlimit für so genannte Optionen – Termingeschäfte, die häufig der Spekulation dienen – „erwägenswert“ seien. Das freilich hat sogar die US-Regierung selbst schon zum Gesetz gemacht. Muster für dergleichen Geschäfte war voriges Jahr die Spekulation eines Fonds mit Kakao: Der Fonds erwarb Optionen auf ein Fünftel der gesamten Welternte. Die Preise explodierten daraufhin, und der Fonds verkaufte seine Kontrakte mit satten Spekulationsgewinnen von über 40 Prozent.
Bei der Vorstellung ihres gemeinsamen Papiers präsentierten sich die drei Kommissare bemerkenswert ratlos mit Blick auf die Preisanstiege: „Sind es die Spekulationen auf den Terminmärkten, sind es zugrunde liegende Faktoren des Handels mit den Rohstoffen, sind es die Zusammenhänge zwischen beiden Bereichen – wir wissen nicht genügend dazu.“ Im Übrigen zählt der Text nur auf, welche Regeln die EU ohnehin bereits erlassen und welche anderen Mitteilungen die Kommission bisher schon zu diesen Themen von sich gegeben hat.
Interessant ist die Mitteilung nur insofern, als sie einmal mehr deutlich macht, wie stark der Zugang zu Rohstoffen mittlerweile die Ausrichtung der Entwicklungspolitik der Europäischen Union bestimmt. So hebt die Kommission den Ausbau von Verkehrsnetzen hervor, die den „regelmäßigen Fluss von Rohstoffen“ gewährleisten sollen. Von Brüssel geförderte „gute Regierungsführung“, eines der Kernziele der EU-Entwicklungspolitik, wird in der Mitteilung als Rahmenbedingung für Sicherheit, Verlässlichkeit und Berechenbarkeit – kurz: für die „Nachhaltigkeit des Zugangs“ zu Rohstoffen – genannt.
Protest gegen Nahrungsmittel-Spekulationen
Spekulanten profitieren vom Handel mit Nahrungsmitteln, während die Zahl der Hungernden weltweit steigt! Die Initiative handle-fair.de protestiert dagegen!
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