Soziale Bewegungen organisieren sich zunehmend über Facebook und Twitter. Ist eine Veranstaltung wie das Weltsozialforum überhaupt noch zeitgemäß?
Auf jeden Fall. Trotz der vielen technischen Kommunikationsmittel sind die Treffen und der direkte Austausch zwischen den Leuten nach wie vor sehr wichtig.
Oft wird kritisiert, dass beim Weltsozialforum keine einheitlichen politischen Beschlüsse gefasst werden.
In Dakar wurde über hunderte Themen diskutiert. Eine einheitliche Schlusserklärung, die alle abdeckt, wäre überhaupt nicht möglich oder rein manipulativ. Aber es fanden einige Dutzend so genannter Konvergenzveranstaltungen statt, bei denen die Ergebnisse vorangegangener Workshops zusammengefasst wurden. Dort wurden auch Erklärungen verabschiedet und Beschlüsse gefasst, etwa zum „Landgrabbing“, zum Zugang zu Wasser als gemeinsames Gut und zur Migration.
Die Weltsozialforen werden bereits seit zehn Jahren veranstaltet. sie selbst sind seit 2004 dabei. Wie haben sich die Veranstaltungen verändert?
Das Weltsozialforum wird immer stark durch den Veranstaltungsort geprägt. 2004 in Mumbai haben vor allem die Kastenlosen die Diskussionen bestimmt, im brasilianischen Belém waren es die Indigenen aus dem Amazonasgebiet und in diesem Jahr die afrikanischen Frauen. Sie haben das Forum dominiert.
Um welche Themen ging es dieses Jahr?
Zum Beispiel um „Landgrabbing“, die Aneignung von großen Landflächen durch fremde Regierungen und multinationale Konzerne. Beteiligt sind aber auch Reiche aus den Ländern selbst, wie die Marabous, religiöse Würdenträger im Senegal. Zum Abschluss des Forums wurden ein „Appell von Dakar“ gegen „Landgrabbing“verabschiedet und aufgelistet, welche Protestaktionen in nächster Zeit in welcher Weltgegend geplant sind. Zurzeit ist Mali von einem Projekt bedroht, wo auf 100.000 Hektar Reis für Libyen angebaut werden soll. Saudi-Arabien will im Senegal auf 200.000 Hektar Reis anbauen. Dagegen wollen Bauernbewegungen im Senegal, in Mali und Burkina Faso zusammen vorgehen. Es geht zunächst vor allem darum, Transparenz zu schaffen und Informationen ans Licht zu bringen.
Ist die Zivilgesellschaft im Süden in den vergangenen Jahren selbstbewusster geworden?
Ja. Und sie ist auch kritischer geworden gegenüber den eigenen Regierungen. Sie sieht die Schuldigen für wirtschaftliche und soziale Notlagen nicht mehr nur in den USA, Frankreich oder bei internationalen Institutionen. Die Diskussionen waren sachlich und gut strukturiert – eindeutig eine Verbesserung gegenüber früheren Sozialforen.
Stehen die NGOs aus dem Süden ihren Partnern aus dem Norden kritischer gegenüber?
In Dakar hatten die afrikanischen NGOs das Sagen. Unsere Schweizer Delegation traf sich mit Chico Whitaker, einem der Gründer des Weltsozialforums. Er räumte offen ein, dass Europa der Schwachpunkt in der weltweiten Bewegung der Sozialforen ist. Die Power kommt ganz klar aus dem Süden.
Und was lernen die nichtstaatlichen Organisationen aus Europa daraus?
Möglicherweise hat die Finanz-und Wirtschaftskrise einige Organisationen hierzulande ratlos gemacht. Aber es gilt, sich zusammenzuraufen und zu schauen, dass man hier ebenfalls wieder mehr Schwung in die globalisierungskritische Bewegung bekommt.
Das Gespräch führte Gesine Kauffmann.
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