Welche Fortschritte hat das Allgemeine Politische Abkommen (GPA) zwischen der Zanu-PF und den beiden MDC-Fraktionen vom September 2008 gebracht?
Erstens hat es die systematische Gewalt gegen Mugabes Gegner nach den Wahlen vom März 2008 weitgehend zum Erliegen gebracht – wenn auch nicht ganz. Zweitens ist ein Prozess zur Stabilisierung der Wirtschaft in Gang gesetzt worden. Nachdem Morgan Tsvangirai im Februar 2009 als Ministerpräsident vereidigt worden war, hat die Regierung die Landeswährung Zimbabwe-Dollar aus dem Verkehr gezogen und durch eine Kombination aus US-Dollar und südafrikanischem Rand ersetzt. So konnte die Hyperinflation drastisch verringert werden. In den Regalen stehen nun wieder mehr Lebensmittel, die staatlichen Angestellten haben eine gewisses Grundgehalt bekommen und es wurde humanitäre Hilfe geleistet. Allerdings haben viele Menschen, vor allem auf dem Land, keinen Zugang zu ausländischer Währung, um Güter einzukaufen.
Hat der Rückgang der Gewalt Spielraum für die Gegner der Zanu-PF geöffnet?
Ja. Organisationen der Zivilgesellschaft haben nun mehr Spielraum, sich an Diskussionen über die Verfassungsreform, die Umsetzung des GPA, die nationale Versöhnung oder die Pressefreiheit zu beteiligen. Sie können auch in Gebieten arbeiten, in denen sie zuvor Probleme hatten. Der „Solidarity Peace Trust“ zum Beispiel geht in die Dörfer vor allem im Matabeleland, um Fragen der nationalen Versöhnung und der Verfassungsreform zu debattieren. Das war zuvor viel schwieriger, besonders während des von schwerer Gewalt geprägten Wahlkampfes 2008. Man muss aber immer noch täglich darum kämpfen, dass der Spielraum bleibt und erweitert wird.
In welcher Hinsicht hat das GPA bislang wenig geändert?
Die Misserfolge sind leider viel zahlreicher als die Fortschritte. Ein wichtiger ist die Besetzung von Schlüsselposten in der Regierung. Vereinbart war, dass alle entscheidenden Ernennungen von den drei am GPA beteiligten Parteien gemeinsam vorgenommen würden. Das ist aber nicht geschehen. Insbesondere sind der alte Zentralbankchef und der alte Generalstaatsanwalt noch im Amt. Keinen Fortschritt gibt es auch bei der Öffnung der Medien. Zwar haben im Parlament Anhörungen für die Besetzung eines Presserates stattgefunden; die Namen der Kandidaten wurden Mugabe geschickt und einige ausgetauscht, um das der Zanu-PF schmackhaft zu machen. Aber der Rat ist immer noch nicht eingerichtet worden. Die Zanu-PF hat auch den Prozess einer Verfassungsreform blockiert. Für die umfassende und transparente Erhebung der Landbesitzverhältnisse, die im GPA vorgesehen ist, ist nichts getan worden. Die Führer der Zanu-PF sagen, dafür gebe es kein Geld. Aber das eigentliche Problem ist, dass sie Angst davor haben, welche Informationen dabei ans Licht kommen würden – etwa dass einige von ihnen heute Besitzer mehrerer Farmen sind. Einzelne Abgeordnete der MDC werden weiterhin gezielt eingeschüchtert, um die Mehrheit der Partei im Parlament zu verkleinern. Und der Nationale Sicherheitsrat hat sich nur ein oder zwei Mal getroffen und sich nicht ernsthaft mit der Gewalt beschäftigt, die Angehörige der Sicherheitskräfte verüben.
Welche Aufgabe hat dieser Sicherheitsrat?
Dort sollen die drei Parteien sowie die Stabschefs der Sicherheitskräfte Fragen des Sicherheitssektors behandeln, etwa eine Polizeireform, und sicherstellen, dass die Sicherheitskräfte nicht missbraucht werden, um den politischen Prozess zu torpedieren. Mugabe sträubt sich sehr, eine solche Diskussion zuzulassen.
Gibt es in Simbabwe unabhängige Medien?
Der öffentliche Rundfunk, also alle Fernseh- und Radiosender, wird immer noch von der herrschenden Partei kontrolliert. Er präsentiert uns die gleiche einseitige und verengte Sichtweise wie vorher, ohne jeglichen Pluralismus. Immer noch kommt dort eine zum Hass aufstachelnde Sprechweise vor. Es gibt eine Handvoll unabhängiger Zeitungen, doch die erscheinen nur wöchentlich. Ihre Auflage wächst zwar, aber sie sind sie auf dem Land, wo das Radio die wichtigste Rolle spielt, nicht erhältlich.
Wer genau in der Zanu-PF hintertreibt die Umsetzung des GPA?
Eine Hauptrolle spielt das so genannte Joint Operational Command (Gemeinsame Einsatzkommando), das sich aus den Sicherheitschefs und Mugabe zusammensetzt. Doch die Zanu-PF ist als gesamte Partei darauf bedacht, den Reformprozess in Simbabwe aufzuhalten – aus einer Reihe von Gründen: Die Führer haben Gräueltaten gegen die Menschen in Simbabwe begangen; sie haben großen Reichtum angehäuft; und sie wollen die Zukunft ihrer Partei absichern und unbegrenzt weiter regieren. In keiner Hinsicht wollen sie rechenschaftspflichtig werden.
Auf welche Machtmittel können sie dabei bauen?
Der Staat der Zanu-PF kann weiter auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung funktionieren, indem er die Kontrolle über das Militär behält, die Opposition auf jede mögliche Weise zu kontrollieren sucht und sich zugleich so viel Reichtum aneignet, wie die Parteiführer nur können. Sie erhalten noch immer Geld aus der Ausbeutung von Bodenschätzen, aus dem illegalen Bergbau und aus Diamantenverkäufen. Viele kontrollieren heute auch große Farmen. Es gibt noch Minenfirmen, die mit Simbabwe Geschäfte machen und dem Staat Einnahmen verschaffen. Und schließlich werden in der Wirtschaft zunehmend kriminelle Praktiken eingesetzt, weil die Herrschaft des Rechts so stark erodiert ist. So kontrollieren Teile der Armee und der politischen Elite gewaltsam den Zugang zu vielen Diamantenfeldern. Gleichzeitig tobt in der Zanu-PF ein Nachfolgekampf. Ich gehe davon aus, dass er sich in den kommenden Jahren verschärfen wird. Wenn er nicht angemessen behandelt wird, könnte er die ganze Nation destabilisieren.
Sanktionen – auch wenn sie sich gezielt gegen Hauptfiguren der Zanu-PF richten wie derzeit – können die Machtbasis des Regimes also gar nicht gefährden?
Richtig. Symbolisch ist es wichtig, dass diese Sanktionen in Kraft sind, doch ich glaube nicht, dass sie alleine den Wandel herbeiführen werden, auf den wir alle hoffen. Die Staatengemeinschaft hat nicht viele Hebel, um in Simbabwe Einfluss zu nehmen.
Hat das mit der Haltung der Nachbarstaaten Simbabwes zu tun?
Ja. Mugabe und die südafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft SADC sind übereingekommen, dafür zu sorgen, dass das Problem auf regionaler Ebene behandelt und weder der Afrikanischen Union noch den Vereinten Nationen übertragen wird. Es war eine klare Strategie der SADC, Einmischung des Westens zu verhindern.
Druck auf die Zanu-PF müsste den Weg über die SADC nehmen?
Genau. Die SADC bleibt ein Schlüsselfaktor für Einflussnahme auf Simbabwe. Die Regionalorganisation unterstützt das GPA und dürfte so bald keine weiteren Schritte gegen Mugabe unternehmen.
Tragen auch Investitionen oder Hilfe aus China dazu bei, die Zanu-PF zu stützen?
Sicher haben die Chinesen in Simbabwe investiert, aber nicht in dem Umfang, wie die Zanu-PF sich das erhofft hatte. Ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger war die diplomatische Unterstützung von Seiten Chinas wie auch Russlands, um sicherzustellen, dass Simbabwe nicht im UN-Sicherheitsrat behandelt wird.
Wie hat der Westen die Regierung der nationalen Einheit unterstützt?
Er hat mehr humanitäre Hilfe gegeben, besonders nach dem Cholera-Ausbruch im Jahre 2008. Doch das hat nicht wirklich ein stärkeres Entwicklungshilfeengagement ausgelöst. Damit die demokratische Bewegung in Simbabwe stärker wird, müsste man dafür sorgen, dass die Wirtschaft mehr wächst. Dazu kann man Entwicklungshilfe strategisch einsetzen. Das Problem ist dabei natürlich, über welche Kanäle das Geld ins Land fließen soll. Einer ist bisher der Treuhandfonds der Geber, der soziale Dienste wie das Gesundheitswesen unterstützt und dabei die Zentralbank umgeht: Der Fonds steht außerhalb des Staatshaushalts, aber das vom MDC geleitete Finanzministerium und wichtige andere Ministerien können darauf zugreifen. Eine anderer Weg ist, Staatsbedienstete über dritte Parteien zu bezahlen. Doch das sind Übergangslösungen. Ziel sollte sein, die Kapazität des Staates als Ganzem aufzubauen, damit er in Schlüsselbereichen wie Bildung und Gesundheit Leistung erbringen kann. Doch die Geber fragen sich: Wenn wir Geld ins Land bringen, wird dann auch die Zanu-PF davon profitieren? Ich denke, das ist kaum zu vermeiden. Man kann nicht Hilfe so leisten, dass nur eine Partei in der Regierung der nationalen Einheit Zugang dazu hat. Das Zögern der Geber ist verständlich angesichts der anhaltenden Blockade der GPA durch die Zanu-PF.
Ist Unterstützung für nichtstaatliche Organisationen (NGOs) wichtig?
Absolut. NGOs haben jetzt die Aufgabe, auf die Umsetzung des GPA hinzuwirken – besonders auf dem Gebiet der Verfassungsreform, der Pressefreiheit und der nationalen Versöhnung. Dafür brauchen sie Unterstützung und Finanzquellen.
Welche Rolle spielen die Kirchen?
Die Kirchen haben entscheidend dazu beigetragen, die Debatten in die Landgebiete zu tragen. Die meisten haben dort eine Basis und können helfen, Menschen zusammenzubringen und sich mit Fragen wie der Verfassungsreform, aber auch mit dem Erbe der Gewalt zu beschäftigen.
Einige Kirchen haben es aber lange gescheut, Mugabe entgegenzutreten.
Wohl wahr. In den Kirchen zeigt sich, wie auch in der Zivilgesellschaft, Uneinigkeit in verschiedenen Fragen – der Landfrage, der Gewalt während der Wahlen, dem GPA. Doch viele Kirchen treten für die vollständige Umsetzung der demokratischen Elemente des GPA ein. Kirchen haben weiter eine Schlüsselrolle dabei, politischen Spielraum zu eröffnen.
Die Fragen stellte Bernd Ludermann
Brian Raftopoulos ist Direktor für Forschung und Öffentlichkeitsarbeit beim Solidarity Peace Trust, einer nichtstaatlichen Organisation, die in Südafrika zu Menschenrechtsfragen in Simbabwe arbeitet. Er war zuvor Professor für Entwicklungsstudien an der Universität von Simbabwe.
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