Zwischen Aberglauben und Moderne

Omen. Belgien/Niederlande/Demokratische Republik Kongo 2023, Regie: Baloji, 95 Minuten, Kinostart: 4. April 2024, Verleih: Grandfilm

Der belgische Regisseur Baloji erzählt in seinem Spielfilm von vier Menschen, denen in der Demokratischen Republik Kongo Hexerei vorgeworfen wird. Sein Familiendrama, durchwirkt mit surrealen Sequenzen und rätselhaften Ritualen, zeigt deren Kampf gegen Aberglauben und Diskriminierung.

Nach 15 Jahren in Belgien kehrt Koffie für eine Familienfeier in seine Heimatstadt Lubumbashi in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) zurück. Begleitet wird er von seiner schwangeren weißen Lebensgefährtin Alice, die Zwillinge erwartet. Koffie lässt sich für die Reise seine Afrofrisur rasieren, absolviert einen Suaheli-Schnellkurs und bringt eine Geldsumme mit, die seine Familie erwartet. Doch der Empfang des „verlorenen Sohnes“ ist kühler als erwartet: Nach Ansicht der Familie trägt Koffie, der seit der Geburt einen großen Fleck auf der Wange hat, noch immer den Fluch des Teufels in sich. Als bei ihm Nasenbluten einsetzt und sein Blut auf ein Baby tropft, bricht Panik aus und er muss sich einer Art Exorzismus unterziehen. 

Später erfahren die Zuschauer, dass auch Koffies Mutter Mujila bei seiner Geburt der Hexerei beschuldigt wurde. Und seine jüngere Schwester Tshala beklagt sich über die Ausgrenzung durch die Verwandten. Paco wiederum, Anführer einer Jugendgang, liefert sich Straßenkämpfe mit einer rivalisierenden Bande und muss am Ende seine Schwester Maja begraben. Auch hier beschuldigen sich die Banden der Hexerei.

Der Protagonist Koffie vollzieht ähnliche Reisewege wie einst der Regisseur Baloji, der mit bürgerlichem Namen Serge Tshiani heißt. Auch er wurde in der zweitgrößten Stadt der DRK geboren und zog als Kind mit seinem Vater nach Belgien. Dort drehte er Kurzfilme und Musikvideos und betätigte sich als Schauspieler und Rap-Musiker. Sein erster Langfilm, „Omen“, ist in vier Kapitel, die an einem Osterwochenende spielen, und einen Epilog gegliedert, der im September folgt. Während Koffies Geschichte das erste Drittel dominiert, rücken danach die drei anderen Protagonisten in den Vordergrund. 

 Assoziativ-verspielte Bildsprache

„Omen“ gewährt aufschlussreiche Einblicke in den Alltag von Menschen, die zwischen Aberglauben und moderner Zivilisation, strikten sozialen Normen und der Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmung nach eigenen Wegen suchen. So hadert Tshala damit, dass ihre Angehörigen es missbilligen, dass sie mit ihrem acht Jahre jüngeren Freund nach Durban in Südafrika gehen will. Der wiederum will eine offene Beziehung führen und hat sie mit einer Geschlechtskrankheit infiziert. 

Wie viele andere Debütfilme ist auch „Omen“ durch einen ausgeprägten Willen zur Stilisierung geprägt. Dazu kommen hier noch Elemente der Verspieltheit und Verrätselung, die viele Fragen offenlassen. So erfahren wir beispielsweise nicht, warum es Koffie trotz zahlreicher Versuche nicht gelingt, endlich seinen Vater zu sprechen, der zwar sechs Mal die Woche in einem Bergwerk arbeitet, aber ein Mobiltelefon hat. 

Immer wieder sind in „Omen“ Umzüge mit maskierten Menschen, kuriose Wrestling-Schaukämpfe, rätselhafte Rituale mit kostümierten Heilern und karnevaleske Festivitäten zu sehen, die mit ihrer assoziativ-verspielten Bildsprache zwar reizvoll aussehen, deren Bedeutung sich für die meisten westlichen Zuschauenden aber nicht erschließen dürfte. Noch faszinierender wirken einige surreale Szenen und Traumsequenzen, deren Metaphern sich leichter entschlüsseln lassen: Etwa wenn zwei kleine Kinder, die als Alter egos von Koffie und Tshala angelegt sind, in einer afrikanischen Variante des Hänsel-und-Gretel-Märchens im Wald auf eine Hexe treffen. Oder wenn Mujiha aus einem Doppelbett steigt und durch eine weite Savanne mit brennenden Strohpuppen auf Holzkreuzen wandert, bis sie auf ein Begräbnis trifft. Alles in allem ein faszinierender Film, der lange im Gedächtnis bleibt. 

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