Vorläufige Analysen zur Pandemie

Die Autorinnen und Autoren des Sammelbandes, viele aus dem Umfeld der Rosa-Luxemburg-Stiftung, umkreisen in ihren Beiträgen Facetten der Corona-Krise. Dabei liefern sie eher Momentaufnahmen als fertige Analysen.

Dieter F. Bertz (Hg.): Die Welt nach Corona. Von den Risiken des Kapitalismus, den Nebenwirkungen des Ausnahmezustands und der kommenden Gesellschaft. Bertz und Fischer, Berlin 2021, 732 Seiten, 24 Euro

Unterteilt ist das Buch in die Bereiche „Ausnahmezustand und Gesundheitsnotstand“, „Corona-Kapitalismus und Sozialepidemiologie“, „Globale Seuche und Globale Krise“ sowie „Neue Normalität und Post-Corona“. Das ist allerdings eine recht grobe Einteilung im Bemühen, Ordnung in die zahllosen Aspekte der Corona-Krise zu bringen, die noch längst nicht vorbei ist. Die mehr als 50 Beiträge sind daher ein Versuch, intellektuell zu durchdringen und sinnstiftend zusammenzusetzen, was (noch) nicht recht zusammenpassen mag. 

Beispielhaft dafür sei hier der Beitrag von Christian Stock genannt, Politikwissenschaftler und Redakteur der Zeitschrift iz3w. Er beschreibt eine „vorläufige Typologie der autoritären Strategien in der globalen Corona-Krise“ und identifiziert „mindestens sechs Varianten“. 

Da wäre zunächst die Strategie des Verleugnens – angewandt von Boris Johnson und Donald Trump, aber auch Turkmenistans Präsident Gurbanguly Berdimuhamedow – bis hin zu Verschwörungsideologien rund um die Pharmaindustrie und Bill Gates. Der zweite Strategietypus, so Stock, ist das Denken in rein nationalen Kategorien und die Betonung des nationalen Eigennutzes, beispielsweise durch das Schließen von Grenzen oder die Forderung nach Aufbau von Produktionskapazitäten für Schutzmasken nur für die eigene Bevölkerung. Der dritte zeichne sich durch „besonders rücksichtslose“ Diskriminierung und Ausgrenzung von Minderheiten und marginalisierten Gruppen aus wie der Bewohner des schließlich abgebrannten Flüchtlingslagers Moria auf Lesbos. Der vierte Typ autoritärer Corona-Politik sei das „knallharte Durchregieren samt der Unterbindung jeglicher Formen von Opposition“ wie etwa in Algerien, einigen lateinamerikanischen Ländern oder auch Indien. Einen fünften Typus des Umgangs sieht Stock in der Rhetorik des Kriegszustandes, etwa bei Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Der sechste Typus schließlich sei die Durchsetzung des digitalen Überwachsungsstaates mittels Nutzung von Big Data. Als Beispiel hierfür nennt Stock China, aber auch Demokratien wie Südkorea oder Österreich. 

Andere Beiträge widmen sich den Auswirkungen der Corona-Krise auf die Weltwirtschaft, auf den Flüchtlingsschutz oder auf die Situation in einzelnen Ländern, wie europäischen Staaten, den USA, China und Ländern des Südens, darunter Syrien, Vietnam, Brasilien, Chile und Südafrika. Einer befasst sich mit Corona in Gesamt-Afrika, ein anderer damit, wie Covid-19 das Bild Afrikas im globalen Norden infragestellt. Der internationalen Dimension der Corona-Krise wird also auch in Form zahlreicher länderspezifischer Berichte Rechnung getragen. 

Über die „Welt nach Corona“ sagt das Buch wenig. Dennoch lohnt sich die Lektüre bei aller Vorläufigkeit der Analysen. Man wird es in einem halben Jahr oder Jahr, wenn manche Entwicklungstendenzen schon klarer sind, vielleicht sogar mit größerem Gewinn lesen als heute.

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