Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo gilt vielen als Inbegriff von Leid und Elend. Doch blicken die Autoren in ihrem Porträt der Stadt weniger auf verantwortungslose Politiker, marodierende Rebellen oder Waffenschmuggler. Sondern auf die Bewohner.
Zwölf Menschen, zwölf – teils dramatische – Schicksale, und trotz des kaum planbaren Alltags herrscht optimistischer Pragmatismus. Das ist die Kernbotschaft dieses gut lesbaren Buches über das Leben in Goma. Die Umweltwissenschaftler Theodore Trefon und Noël Kabuyaya, die beide in der DR Kongo unterrichten und forschen, beschreiben kurz die politische Geschichte der Region, die vom Genozid im benachbarten Ruanda 1994 erschüttert wurde. In seiner Folge flohen über eine Million Menschen nach Ostkongo. Auch auf Umweltthemen wie den Vulkanausbruch Mitte Januar 2002, als große Lavaströme sich ihren Weg durch die Stadt bahnten, gehen die Autoren ein. Nicht zuletzt reicherte die Lavaasche die Böden an und ermöglicht der Stadtbevölkerung bis heute eine Gemüseproduktion zur Eigenversorgung.
Dieses Spannungsverhältnis von plötzlichem Schrecken und mittelfristigem Segen durchzieht das Buch. Die vielen Entwicklungsexperten, die in Goma ihre Büros unterhalten, tauchen dagegen nur schemenhaft als Hotelgäste oder als Autofahrer auf den verstopften Straßen der Stadt auf. Ihre Berührungspunkte mit denjenigen, die zu den Zielgruppen von Projekten und Programmen zählen, sind rar. Die Leser des Buches hingegen lernen einige von ihnen kennen. Mituga Bahizire etwa, der vom Zerkleinern der Lavasteine lebt, die unter anderem für Bauprojekte dienen. Er wuchs im Minengebiet einer Nachbarprovinz auf und schlug sich zunächst als Kleinschürfer durch. Nachdem er von einer örtlichen Miliz bedroht wurde und einen Unfall erlitt, entschied er sich, sein Glück in Goma zu suchen. Sein Wissen über Steinbearbeitung nutzt er erfolgreich, um erkaltete Lava zu behauen. Die tägliche Plackerei zehrt an seinem Körper, doch mit dem erwirtschafteten Einkommen kann er seine Kinder zur Schule schicken. Umso ärgerlicher, dass kleine Handwerker wie er immer wieder von Dieben und korrupten Polizisten beraubt werden.
Derlei Wegelagerer sind auch Cerezo ein Gräuel. Er transportiert mit einem selbst gebauten hölzernen Tretroller, tshukudu genannt, schwere Lasten. Damit tritt er in die Fußstapfen seines Vaters, hat aber die Fahrtauglichkeit des Transportmittels technisch verbessert. So kann er Gemüse von den Hügeln vor der Stadt termingerecht in die Hotels bringen. Das Gefälle der schlechten Straßen meistert er gekonnt, Begegnungen mit Polizisten meidet er soweit wie möglich. Cerezo, dessen Familienname nicht genannt wird, hat eine geschäftstüchtige Frau geheiratet. Gemeinsam setzen sie alles daran, dass ihre Kinder nicht mehr durch körperliche Schwerstarbeit die Existenz sichern müssen. Trotz aller Probleme mag Cerezo Goma und das dortige Nebeneinander der unterschiedlichen Lebensformen.
Die Suche nach Normalität durchzieht auch andere Portraits, etwa das einer früheren, schwer erkrankten Lehrerin oder eines Wachmanns, der zuvor als Milizionär kämpfte. „Nicht aufgeben“ lautet das gemeinsame Motto, und gerade deshalb sei dieses außergewöhnliche Buch empfohlen.
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