Wie Frieden schaffen?

Die deutschen Friedensforscher plädieren in ihrem diesjährigen Gutachten für mehr Konfliktprävention und den Aufbau der Zivilgesellschaft in gefährdeten Ländern. Ein Schwerpunkt liegt auf den Konflikten im Nahen Osten. 

Die Herausgeber des diesjährigen Friedensgutachtens begrüßen, dass Bundespräsident Joachim Gauck mit seinem Ruf nach mehr Verantwortung Deutschlands in der Welt den Raum für eine grundlegende Kursbestimmung der deutschen Außenpolitik geöffnet hat. Diese dürfe sich nicht auf „militärische Imperative“ beschränken, betonen sie. Es gehe vielmehr darum, Wege zu finden, „wie den aktuellen Konflikten friedenspolitisch verantwortungsvoll zu begegnen sei“. Die Herausgeber verstehen ihr Gutachten als Beitrag zu einer differenzierten Analyse der internationalen Lage – und so enthalten die 15 Beiträge nicht nur abstrakte Theorien, sondern auch praktische Ratschläge an die Politik.

Der erste Teil des Gutachtens setzt sich mit grundlegenden friedenspolitischen Fragen auseinander. So untersuchen Matthias Dembinski und Thorsten Gromes den Nutzen humanitärer Interventionen: Können sie die Gewalt tatsächlich stoppen und was passiert, wenn die ausländischen Truppen wieder abziehen? Die Autoren wollen mit ihrem Forschungsprojekt eine Entscheidungsgrundlage für humanitäre Auslandseinsätzen schaffen, denn bislang liegen dazu noch keine verlässlichen Daten vor.

Markus Bayer, Felix Bethke und Daniel Lambach zeigen in ihrem Beitrag, dass weder gewaltsame Aufstände noch ausländische Militäreinsätze Diktaturen in demokratische Systeme verwandeln können. Sie plädieren für eine deutsche Außenpolitik, die präventiv handelt und auf den Aufbau der Zivilgesellschaft setzt. Für Prävention ist es im Ukraine-Konflikt bereits zu spät. Trotzdem dürfe Deutschland nicht militärisch auf die Krise reagieren, meint Wolfgang Zeller. Sein Vorschlag: Die Bundesregierung solle weiter  an der Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens arbeiten und auf Kriegsrhetorik verzichten. Langfristig könne aber nur ein russisch-europäischer Dialog zu Sicherheitsfragen helfen, der beide Seiten ernst nimmt.

Im zweiten Teil des Gutachtens analysieren die Autoren gegenwärtige Konfliktherde. Im Mittelpunkt steht der Nahe Osten, hier geht es insbesondere um den Islamischen Staat (IS), Kurdistan und den Israel-Palästina Konflikt. Besonders spannend sind die beiden Beiträge zum IS. Jochen Hippler gibt einen Einblick in das Innenleben der Gruppe. Er zeigt, dass sie längst mehr ist als eine Terrororganisation: Sie herrscht über ein Gebiet, in dem acht Millionen Menschen leben, regelt Justiz und Wirtschaft, und greift dabei auf das Know-how ehemaliger irakischer und syrischer Staatsangestellter zurück. Und Susanne Schröter geht der Frage nach, was junge Frauen aus dem Westen dazu bewegt, sich den männlichen Gotteskriegern anzuschließen.

Die Beiträge des Buches sind nahezu durchgehend interessant und lesenswert. Das liegt vor allem daran, dass sie sich mit aktuellen und zum Teil noch weitgehend unerforschten Phänomenen und Problemen auseinandersetzen. Es fehlt allerdings ein roter Faden. Wie die einzelnen Themen miteinander zusammenhängen und ob sich die vielfältigen Anforderungen zu einer kohärenten Friedenspolitik zusammenfügen lassen, bleibt am Ende offen.

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