Janet Kursawe, Margret Johannsen (Hg.)
Das Friedensgutachten 2012 befasst sich mit Machtverschiebungen im globalen Gefüge und liefert dazu keine zufriedenstellenden Antworten. Die Einzelbeiträge hingegen sind zum Teil sehr lesenswert.
Die Globalisierung hat auch das Friedensgutachten 2012 erreicht. In der einleitenden Stellungnahme kommentieren die Herausgeberinnen und Herausgeber unter anderem die Machtverschiebung im Zeichen der globalen Beschleunigung und gehen der Frage nach, wie es nach dem Arabischen Frühling weitergeht. Damit liegt man im Zentrum der Zeitgeschichte: Es geht um eine mehrfache Machtverschiebung – von West nach Ost, von Nord nach Süd, von Supermächten zu „Gestaltungsmächten“, vom Markt zu Monopolen, von staatlicher Ordnung zu weltweit vernetzten kriminellen Organisationen, von religiösen Zwängen zur Beliebigkeit der Postmoderne.
Transnationale Akteure und einzelne Zivilgesellschaften gewinnen an Bedeutung, aber die Zahl der Verlierer ist hoch und die schnell steigende Zahl der verschiedenen Akteure erzeugt Verunsicherung. Da greifen die Forschungsinstitute erneut zur schönen Illusion: „Es gilt, die aufsteigenden Mächte zu überzeugen, statt an der Spirale eines neuen Wettrüstens mit zu drehen, auf Vertrauensbildung und gemeinsame Sicherheit zu setzten und die zivilen Kapazitäten des Peace Building zu fördern.“ Machen wir uns nichts vor: Friedensappelle dieser Art sind in der heutigen Welt absurd. Frieden kann heute nicht mehr mit einem klassischen akademischen Aufsatz erfasst werden.
Die Einzelbeiträge des Gutachtens sind von unterschiedlicher Qualität. Corinna Hauswedell und Janet Kursawe zeigen sich kritisch gegenüber der Idee, sogenannte harte Macht, die auf wirtschaftlichen Anreizen und militärischer Bedrohung beruht, in Übereinstimmung zu bringen mit weicher Macht, die mit Hilfe von Kultur, politischen Werten und Diplomatie ausgeübt wird. Zustimmen kann man auch ihrer Skepsis gegenüber dem in der Politik beliebten Konzept der „neuen Gestaltungsmächte“, zu denen die sogenannten BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) zählen.
Matthias Dembinski und Hans-Joachim Spanger sehen aus westeuropäischer Sicht den Aufstieg der BRICS-Staaten nicht als “markante sicherheitspolitische Bedrohung“. Wenn sie sich da nicht täuschen – allein die Entwicklungen in Russland scheinen in eine andere Richtung zu deuten. Kluge Argumente zur „Schutzverantwortung und Friedenspflicht“ präsentieren Lothar Brock und Nicole Deitelhoff, während Hans-Georg Ehrhart und Kerstin Petretto fachkundig den Fall Somalia ausleuchten. Souverän wie gewohnt erklärt Jochen Hippler den Umbruch im Nahen Osten und in Nordafrika, ebenso wie Renate Kreile die Strategien der Frauen im Arabischen Frühling und danach vermittelt.
An der scharfsinnigen Argumentation von Andreas Heinemann-Grüder zur zivilen Konfliktbearbeitung wird das Dilemma des friedenspolitischen Insiders deutlich: Zunächst beschreibt er die Untauglichkeit der „zivilen Konfliktbearbeitung“ und des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) und stellt fest, dass Deutschland als Zivilmacht „ohne Strategie“ bleibt. Doch dann verlässt ihn der Mut. Statt die Auflösung des ZFD anzuraten, empfiehlt er den Aufbau einer „Bundesakademie für Krisenprävention und Zivile Konfliktbearbeitung“, was den Graben zwischen ziviler und staatlicher Konfliktbearbeitung verstärken würde. Nur wenn Unterstützungsangebote an Länder, die sie brauchen und wollen, in einem Ansatz zusammengeführt werden, haben sie künftig eine Chance auf Erfolg. (Wolf Poulet)
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