„Leute mit der richtigen Haltung“

Friedensmissionen
Im September wurde das Europäische Exzellenzzentrum für Ziviles Krisenmanagement offiziell eröffnet. Gründungsdirektor Volker Jacoby erklärt, welches Personal für Friedensmissionen gebraucht wird und warum so wenig Frauen dabei sind.

Volker Jacoby ist Politikwissenschaftler und hat unter anderem für die OSZE und das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze gearbeitet. Seit Februar leitet er das European Centre of Excellence for Civilian Crisis Management in Berlin, das im September offiziell eröffnet wurde.

Warum wurde das Zentrum gegründet?
Die Bundesregierung hat vor einigen Jahren vorgeschlagen, die relativ starke Zusammenarbeit der EU-Länder in der militärischen EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik durch eine Verstärkung der zivilen Zusammenarbeit im Krisenmanagement zu ergänzen. Im Jahr 2018 haben die EU-Mitglieder zudem den Vertrag über die Zivile Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Civilian CSDP Compact, verabschiedet, der 22 Verpflichtungen zur Stärkung des zivilen EU-Krisenmanagements enthält. Bundesaußenminister Heiko Maas hat dann vorgeschlagen, ein europäisches Kompetenzzentrum einzurichten. Nach rund zwei Jahren wurde Zentrum im September eröffnet. Bislang zählt es 19 Mitgliedsländer, Spanien prüft gerade seinen Beitritt. Wichtig ist zu betonen, dass wir keine EU-Institution sind, sondern ein Verein, der von den Mitgliedsländern getragen wird.

Welche Aufgaben hat das Zentrum?
Wir helfen unseren Mitgliedsländern, ihre Verpflichtungen aus dem Civilian CSDP Compact umzusetzen. Ein wichtiger Punkt ist die sogenannte Sekundierung von Personal für Friedensmissionen. Die EU-Länder stellen geeignete Fachleute für solche Einsätze zur Verfügung, etwa Polizisten und Polizistinnen, Juristen und Juristinnen oder andere Experten. Die kriegen keinen Vertrag mit der Organisation, die die Mission durchführt, etwa der EU oder der OSZE, sondern werden von dem sie entsendenden Land an die Organisation ausgeliehen. Im Moment ist etwas mehr als die Hälfte des Personals in EU-Missionen auf diese Weise sekundiert, der andere Teil wird direkt von Brüssel unter Vertrag genommen. Die EU will den Anteil des sekundierten Personals erhöhen, und viele Länder wissen nicht so genau, wie sie das machen sollen. Man kann die Leute ja nicht einfach von der Straße in solche Einsätze schicken; sondern muss sie sorgfältig auswählen, informieren und vorbereiten. Unsere Aufgabe ist es, die Mitglieder zu beraten, wie sie das hinkriegen.

Werden die Fachleute in Ihrem Zentrum auch auf Einsätze im Ausland vorbereitet?
Nein. Das macht für deutsches Personal etwa das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze. Wir wollen dabei helfen, dass Ressourcen in den Mitgliedsländern für die Vorbereitung von Personal geteilt werden. Deutschland, Schweden und Finnland und noch ein paar andere Länder sind da sehr gut aufgestellt, während andere Länder diese Ressourcen nicht haben.

In welchen Bereichen helfen Sie außerdem?
Wir wollen vor allem dazu beitragen, dass der Anteil von Frauen in Friedensmissionen steigt. Bislang sind das viel zu wenige, keine der elf derzeit laufenden EU-Friedensmissionen wird von einer Frau geleitet. Ursache dafür sind strukturelle Barrieren.

Welche zum Beispiel?
Das fängt damit an, dass schon in vielen nationalen Polizeien viel zu wenig Frauen sind. Finnland steht mit einem Anteil von 50 Prozent sehr gut da, Deutschland ist längst nicht so gut und andere Länder sind noch viel schlechter aufgestellt. Eine andere wichtige Barriere ist ein gewisser Männlichkeitskult in Friedenseinsätzen. Schon die Sprache im Zusammenhang mit solchen Missionen kommt aus einer militärischen Tradition. Man muss überlegen, ob man mit einer solchen Sprache die Leute anzieht, die man erreichen will.

Und was können Sie beitragen, um diese Barriere zu senken?
Wir schauen uns zunächst mal an, ob ein Land überhaupt einen entsprechenden Fundus hat, um die gewünschte Zahl an Polizistinnen oder andere zivile Expertinnen zu rekrutieren. Wenn das nicht der Fall ist, können wir das entsendende Land beraten, dass es zum Beispiel eine geeignete Öffentlichkeitskampagne startet. Wir können aber auch die Missionen besuchen und die Leiter beraten, wie sie als vorübergehende Arbeitsstelle für Frauen attraktiver werden.

Welche Unterstützung leisten Sie noch?
Ein wichtiger Punkt in vielen Einsätzen ist die Zusammenarbeit von nichtuniformierten Experten mit der Polizei oder auch dem Militär. Oft ist es so, dass Personal aus den verschiedenen Bereichen wenig weiß vom Denken der jeweils anderen. Ein ziviler Berater denkt beim Begriff „Sicherheit“ vielleicht vor allem an das Konzept „menschliche Sicherheit“, ein Polizist hingegen an die körperliche Unversehrtheit einer Person. Diese unterschiedlichen Konzepte müssen verstanden und von allen Beteiligten berücksichtigt werden. In einem Land wie dem Irak zum Beispiel, wo es eine zivile EU-Mission gibt, geht es um harte sicherheitspolitische Aspekte wie der Strafverfolgung von Terrorverdächtigen und dem Aufdecken von Netzwerken. Gleichzeitig geht es um Prävention, etwa die Einbindung der Zivilgesellschaft, oder um „community policing“. In solchen Einsätzen müssen zivile und uniformierte Kräfte eng kooperieren. Wir wollen unseren Mitgliedern dabei helfen, das Personal entsprechend zu qualifizieren.

Die EU engagiert sich seit etwa 20 Jahren im zivilen Krisenmanagement. Was hat sich in dieser Zeit mit Blick auf das Konfliktgeschehen und das erforderliche Personal verändert?
Früher ging es viel um Aspekte wie Demokratisierung, Geschlechtergerechtigkeit, Peacebuilding und Konflikttransformation. In den vergangenen Jahren sind Faktoren wie Migration, sogenannte hybride Bedrohungen, Aktivitäten von nichtstaatlichen Gewaltakteuren und der Kampf gegen Terrorismus hinzugekommen, die Friedenseinsätze prägen und bei der Bearbeitung berücksichtigt werden müssen. Auch die Missionen selbst haben sich verändert: In der Zukunft sollte es um weniger umfassende Mandate gehen, so dass Missionen schnell und flexibel auf sich verändernde Umstände reagieren können. Als Personal braucht man dafür im Grunde die sprichwörtliche eierlegende Wollmilchsau: Leute mit guten Sprach- und Regionalkenntnissen sowie großer Expertise. Aber vor allem braucht es Leute mit der richtigen Haltung, die akzeptieren, dass es nicht eine einzige Lösung für alle Fälle gibt. Wer darauf besteht, dass in der Ukraine funktionieren muss, was schon in Liberia funktioniert hat, ist fehl am Platz.

Das Gespräch führte Tillmann Elliesen.

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Ich verfolge auf Social Media auch andere Strategien des Peacebuilding und bin vor kurzem auf den Begriff "Peace Mainstreaming" gestoßen, den ein Soziologiestudent aus Wien gerade erarbeitet. Wenn ich die Sache richtig verstehe, betont er auch die Wichtigkeit des Schutzes von Kindern vor Gewalt, denn Friedlichkeit muss wohl bereits in der frühesten Kindheit beginnen - ein oft vergessener Faktor, auch im Konzept des "Positiven Friedens" (Positive Peace)

MfG U. Kant

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