Neulich hatte ich einen Traum: Der türkische Präsident Erdogan lässt seine Soldaten in Nordsyrien einmarschieren und droht der Bundesregierung, die das als Invasion bezeichnet, er werde 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge nach Europa schicken. Mein Traum: Europa ist erwachsen geworden und antwortet Erdogan: „Schick sie, die Flüchtlinge. Wir kümmern uns um sie. Wir schaffen das.“
Seit acht Jahren herrscht Krieg in Syrien und seit acht Jahren schaut Europa dabei zu und hält sich wieder einmal fein raus, obwohl der Irrsinn in unmittelbarer Nachbarschaft stattfindet. Zu Beginn des Krieges dachten Brüssel, London, Paris und Berlin wie üblich: Washington wird das schon irgendwie regeln. Tja.
Seit 2015 ist ein anderer Grund entscheidend dafür, dass Europa ängstlich auf Syrien blickt wie das Kaninchen auf die Schlange: die Furcht vor dem dunkelhäutigen bärtigen Mann, womöglich noch muslimischen Glaubens. Noch einmal mein Traum: Um wenigstens etwas Druck vom Kessel Nordsyrien zu nehmen, könnte Europa – oder wenigstens ein verantwortungsbewusstes Kerneuropa – sofort in einer gemeinsamen Anstrengung, untereinander abgestimmt und mit ausreichend Geld in der Hand Flüchtlinge aus dem umkämpften Gebiet und aus der Türkei aufnehmen. Und auf diese Weise zugleich dem türkischen Präsidenten deutlich machen: So billig kannst du uns nicht erpressen.
Vorschlag zielt in die richtige Richtung
Immerhin tut sich jetzt etwas: Im politischen Berlin scheint in einige Köpfe die Einsicht einzusickern, dass Europa keine gute Figur abgibt, wenn es weiter nur zuschaut und andere die Verhältnisse in Syrien regeln lässt. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer regt an, Nordsyrien unter internationale Kontrolle zu stellen, zusammen mit Russland und der Türkei. Der Vorschlag zielt in die richtige Richtung: Es geht jetzt darum, weiteres Blutvergießen und ethnische Vertreibungen in Nordsyrien zu verhindern und der Türkei einen Rückzug ohne Gesichtsverlust zu verschaffen, ohne das Gebiet völlig Assad auszuliefern. Es ist aber unwahrscheinlich, dass Moskau sich darauf einlässt, wenn ein solcher Einsatz unter dem Dach der Nato stattfinden soll. Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann meint deshalb zu Recht, es brauche dafür eine UN-Resolution.
Mit Gewalt lässt sich natürlich gegen Russland, die Türkei und den syrischen Präsidenten Assad eine internationale Sicherheitszone nicht durchsetzen. Bevor über den Einsatz von Soldaten nachgedacht wird, müssten deshalb alle Beteiligten an einen Tisch gebracht werden. Sevim Dagdelen von der Linken hat dafür ein neues Forum ähnlich der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) ins Gespräch gebracht.
Noch so ein Traum: Drei deutsche Politikerinnen der CDU, der FDP und der Linken haben Ideen, die sich ergänzen. Europa ergreift die Initiative, bringt die Beteiligten vom nordsyrischen Schlachtfeld zum Gespräch zusammen und vermittelt eine Atempause. Es folgt eine UN-Resolution, die eine Friedensmission mandatiert. Nordsyrien wird zur international geschützten Sicherheitszone. Auf dieser Grundlage kann später möglicherweise über Frieden für das ganze Land verhandelt werden.
Sollte dieser Traum Wirklichkeit werden, wäre ich sogar dafür, die Bundeswehr nach Syrien zu schicken.
Krieg in Syrien
Die UN muss wieder als internationales Gremium aktiv werden und im UN-Sicherheitsrat für alle Staaten bindende Entscheidungen treffen. Seitdem im 1. Irak Krieg die USA die UN - Resolution missachtet haben und einmarschiert sind, ist die UN machtlos geworden. Jetzt wäre der Zeitpunkt gekommen, dass die UN mit einem vereinten Europa in Nordsyrien ein Zeichen zu einer Befriedung der ganzen Region setzt. Staatliche Interessen ob USA, Russland oder Türkei dürfen ihre Interessen nicht weiter zu Lasten Millionen von Menschen in dieser oder in anderen Regionen austragen. Die UN muss auf den Plan.
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