Nicht ohne die Männer

Seit dem Tsunami Ende 2004 unterstützen Hilfsorganisationen die Opfer von Katastrophen zunehmend mit Bargeld statt mit Lebensmitteln. In der Annahme, dass Frauen mit Geld verantwortlicher umgehen als Männer, werden die Hilfen überwiegend an sie ausgezahlt. Die Hoffnung, dass damit auch ihre Stellung in Familie und Gemeinschaft gestärkt wird, hat sich bislang aber nicht erfüllt.

Die Organisationen Oxfam und Concern Worldwide haben in einer Studie selbstkritisch die Wirkungen von Programmen in Indonesien, Kenia und Simbabwe unter die Lupe genommen, bei denen nach Katastrophen Bargeld an Hilfebedürftige ausgezahlt wurde. Zielgruppe waren Frauen, denn ihnen wird unterstellt, dass sie anders als Männer das Geld für sinnvolle Dinge wie Lebensmittel ausgeben. Damit verknüpft ist die Hoffnung, dass sich auf diese Weise auch die Gleichberechtigung fördern und ihre Stellung in der Gesellschaft stärken lässt.

Autorin

Gesine Kauffmann

ist Redakteurin bei "welt-sichten".

Doch das ist nicht der Fall. Laut der Studie gewannen die Frauen zwar mehr Selbstvertrauen im Umgang mit Geld und wurden selbstbewusster. Aber zugleich werde ihre traditionelle Rolle, laut der sie für den Haushalt und die Kinder zu sorgen haben, eher verstärkt als in Frage gestellt, beobachteten die Forscherinnen. Mit Hilfe des Geldes könnten sie diese Aufgaben nun noch besser erledigen. Die Verteilung der Lebensmittel blieb zudem streng hierarchisch organisiert: Der männliche Haushaltsvorstand erhielt den Löwenanteil.

Mindestens genauso schwer wiegt, dass die Männer pauschal mit negativen Stereotypen belegt werden: Ihnen wird signalisiert, dass sie nicht fähig sind, Verantwortung für ihre Familie zu übernehmen. Das behindert langfristige Veränderungen im Verhältnis zwischen Frauen und Männern. Dass sich „empowerment" von Frauen nicht ohne weiteres nebenbei einstellt, ist wenig verwunderlich - zumal die untersuchten Hilfsprogramme für Not- und damit Ausnahmesituationen gedacht waren. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass danach alles wieder seinen alten Gang geht.

Frauen zu stärken und tradierte Geschlechterrollen aufzubrechen, ist ein langwieriger Prozess. Der kann allerdings durch Hilfsprogramme behindert werden, die - mit den besten Absichten - von falschen Voraussetzungen ausgehen und mit überzogenen Erwartungen befrachtet sind. Die Studie von Oxfam und Concern Worldwide bietet eine gute Grundlage für die notwendige Überprüfung solcher Programme. Es ist richtig, Finanzhilfen weiter an Frauen auszuzahlen - aber ohne die Männer einzubeziehen, geht es eben auch nicht.

 

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erschienen in Ausgabe 6 / 2011: Wir konsumieren uns zu Tode
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