Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) vermittelt seit 1999 Fachleute in Krisengebiete, um Friedens- und Versöhnungsprozesse zu unterstützen. Sie beraten und vernetzen beispielsweise im Ostkongo Friedensgruppen oder schulen Mitarbeitende der kirchlichen Kommissionen für Gerechtigkeit und Frieden in gewaltfreier Konfliktbearbeitung und Anwaltschaftsarbeit. Sie unterstützen Initiativen, die nach einem Bürgerkrieg frühere Feinde miteinander ins Gespräch bringen – etwa in Burundi und auf dem Balkan. Oder sie schützen Menschenrechtsanwälte und Friedensgemeinden in Kolumbien mit Begleitung vor Angriffen.
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Wie weit fördert das Friedensprozesse? Das hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vom Center on Conflict, Development and Peacebuilding am Graduate Institute in Genf untersuchen lassen. Ein internationales Team unter der Leitung von Thania Paffenholz hat zu Burundi, Guatemala, Israel/Palästina, Kambodscha, Kolumbien, Niger, Serbien und Uganda Fallstudien unter Beteiligung einheimischer Experten erstellt. Der Bericht, dessen Kurzfassung bisher öffentlich ist, stellt dem ZFD ein gemischtes Zeugnis aus und hat unter seinen Trägern lebhafte Debatten hervorgerufen. Getragen wird der ZFD von vorwiegend nichtstaatlichen Entwicklungsdiensten, während das BMZ ihn finanziert (bis Ende 2010 mit rund 147 Millionen Euro). Das geht auf seine Entstehungsgeschichte zurück: Friedensgruppen und Kirchen hatten Anfang der 1990er Jahre angesichts der Kriege auf dem Balkan und in Somalia vorgeschlagen, einen Friedensdienst als Alternative zum Militärdienst und als Mittel des nicht militärischen Eingreifens zu schaffen. Im ForumZFD, das aus der Debatte hervorging, setzte sich aber die Ansicht durch, dass man nicht junge Freiwillige in Konfliktgebiete schicken konnte – man brauchte ausgebildete Männer und Frauen.
Die Entwicklungsdienste waren zunächst „unterschiedlich begeistert“, weil für sie Entwicklungshelfer bereits Friedensarbeit machten, erinnert sich Tilman Evers, der bis Ende 2010 Vorsitzender des ForumZFD war. In der Schweiz hätten sie einen entsprechenden Vorschlag deshalb sterben lassen. In Deutschland schlossen sich fünf Dienste der Initiative an: die AGEH von katholischer Seite, Dienste in Übersee (DÜ, jetzt Teil des EED) von evangelischer, der bundeseigene Deutsche Entwicklungsdienst DED (jetzt Teil der GIZ), der Weltfriedensdienst WFD und der christliche Friedensdienst Eirene. Sie gründeten zusammen mit dem ForumZFD und mit einem Dachverband verschiedener Friedensorganisationen das Konsortium ZFD. Es konzipierte den ZFD als professionellen nichtstaatlichen Fachdienst und erhielt nach dem Regierungswechsel 1998 die Zusage der rot-grünen Bundesregierung, ihn zu finanzieren.
Friedensfachkräfte sollen nicht in erster Linie auf Kriegsparteien, sondern auf das Friedenspotenzial in der Gesellschaft einwirken. Das soll Gewaltausbrüchen vorbeugen und Friedensprozesse stabilisieren helfen. Das leistet der ZFD laut Evaluation in gewissem Maße. Es sei gelungen, örtliche Partnerorganisationen – die durchweg gut beurteilt werden – zu stärken und so zur friedlichen Bearbeitung örtlicher Konflikte beizutragen. Die Vielfalt der Ansätze und Zugänge zu lokalen Gruppen wird als wichtige Stärke benannt. Ob darüber hinaus das Friedensklima im jeweiligen Land verbessert wurde, konnten die Gutachter außer in Kambodscha – und in Ansätzen Burundi und Niger – aber nicht sicher feststellen.
Schwächen sieht die Evaluierung in der Projektsteuerung. „Oft ist die Konfliktanalyse gut, aber nicht operationalisiert. Es ist also nicht geklärt: Welche Faktoren beeinflussen wir wie?“, erklärt Paffenholz. Es werde zu wenig geplant, welche Wirkung man wie prüfen kann. Sie räumt aber ein, dass sich das in jüngster Zeit verbessert hat. Auch sind die Projektziele klarer als früher. In den meisten Ländern liege allerdings der Schwerpunkt auf Friedenserziehung, Dialogprogrammen oder Traumabearbeitung. Menschenrechts- und Anwaltschaftsarbeit (Advocacy) stehe nur in wenigen Ländern im Zentrum. Ob dieser „routinemäßige“ Fokus überall angemessen ist, bezweifelt die Evaluation und fordert, ihn an Bedarfsanalysen auszurichten.
Dass man die Wirkungsorientierung oder auch die Berücksichtigung von Geschlechter-Aspekten weiter verbessern kann, räumen die Träger ein. Auch mehr Anwaltschaftsarbeit könne man prüfen, sagen Matthias Ries von der GIZ und Jürgen Deile vom EED. Eckhard Volkmann, der im Entwicklungsministerium für den ZFD zuständig ist, unterstützt diese Forderung der Evaluierung ausdrücklich. Brisanter sind Fragen zur Rolle von Fachkräften – sie treffen den Kern des Konzepts. Das vorherrschende Muster, eine europäische Fachkraft für drei Jahre an eine Partnerorganisation zu vermitteln, ist laut der Evaluation zu unflexibel. Man solle öfter ein Team schicken, das mehrere Organisationen nach Bedarf unterstützt. Weiter rät die Evaluierung, häufiger einheimische Fachleute zu beschäftigen und andere Wege der Hilfe zu suchen, auch der finanziellen. Zudem gebe es zu wenig Unterstützung nach dem Abzug der Fachkräfte.
Den Mehrwert der Fachkräfte sieht die Evaluierung vor allem darin, dass sie eine Perspektive von außen vermitteln. „Eine Fachkraft kann das beste Mittel der Unterstützung sein, muss aber nicht“, sagt Paffenholz – besonders nicht für sehr kleine Partnerorganisationen. Die befragten Partner aus Asien fänden europäische Fachleute oft sehr hilfreich, während nicht wenige aus Afrika und Lateinamerika erklärt hätten, dass sie lieber eigene Mitarbeitende fortbilden oder einheimische Fachleute einstellen würden. In der Praxis, so Paffenholz, werben viele ZFD-Experten in einem Teil ihrer Zeit für den Partner Geld ein, statt in ihrem Fachgebiet zu arbeiten – was allerdings auch Entwicklungshelfern in anderen Arbeitsfeldern passiert.
Die Träger bewerten diese Befunde unterschiedlich. „Eine Fachkraft, die nicht von Partnerorganisationen angefordert wurde, vermitteln wir nicht“, sagt Jürgen Deile vom EED. Manchmal verändern sich aber in der Praxis ihre Aufgaben, etwa von der Methodentrainerin zum Coach der einheimischen Projektleiterin, räumt Hans Jörg Friedrich vom WFD ein. Unstrittig ist, dass der ZFD ein Personaldienst ist und die Vermittlung von Fachkräften im Zentrum stehen muss. Flexible Fördermöglichkeiten gibt es laut mehreren Trägern im ZFD bereits, etwa kurzzeitige Beratung oder Fortbildung für Einheimische. Laut Paffenholz sind sie allerdings die Ausnahme. Wie man sie ausbauen und systematischer einsetzen kann, ist für Eckhard Volkmann vom BMZ jetzt zu klären – einschließlich der Frage, ob auch Organisationen, die keine Fachkraft aufnehmen, Partner des ZFD sein können.
Mit dem Vorschlag, Teams von Fachkräften zu entsenden, sieht sich das ForumZFD bestätigt, denn so geht es heute vor. Es arbeitet von Beginn an mit eigenen Büros im Projektland. „Das erleichtert es, Kontakte zu allen Parteien aufzunehmen“, erklärt Tilman Evers. Dann aber eine einzige auf sich gestellte Fachkraft zu schicken, hat sich als problematisch erwiesen. Die Partnerbindung, ein Grundsatz der anderen Träger, hat jedoch ihren Sinn – auch wenn sie Grenzen hat, wo Partner einer Konfliktpartei verbunden sind. Denn die Stärkung lokaler Partner ist gerade ein Erfolg des ZFD.
Die heikelste Forderung der Evaluation ist die nach mehr strategischer Planung. Der Mangel daran sei ein wichtiger Grund, dass das Potenzial des ZFD nicht ausgeschöpft werde. Es fehlten gemeinsame Strategien für die Friedensförderung im jeweiligen Land, und das BMZ steuere zu wenig: Es prüfe nur Projektanträge, die Länderreferate seien zu wenig einbezogen.
Bei den Trägern des ZFD weckt das die Sorge, der ZFD solle unter Kontrolle der Regierung gestellt werden. „NGO-Arbeit beginnt mit Basiskontakten und artikuliert, was auf höheren Ebenen übersehen wird. Sie darf daher grundsätzlich nicht aus übergreifenden Planungen abgeleitet werden“, sagt Hans Jörg Friedrich vom WFD, der einer der beiden Sprecher des Konsortiums ZFD ist. Auch eine Koordination mit anderen Programmen der deutschen EZ stößt auf Bedenken, nicht zuletzt bei kirchlichen Trägern.
Paffenholz stellt aber die Unabhängigkeit der Träger des ZFD nicht in Frage. Ihr geht es darum, dass die selbst Strategien entwickeln – unter Beteiligung des BMZ und seiner Länderreferate. Zum Beispiel hält sie es in vielen Krisenländern für wichtig, die Kirchen zu stärken. Man müsse dabei aber überlegen, wie man die Kirchen als Ganze zu landesweitem Engagement anregt, und etwa neben lokalen Kirchengruppen auch die Kirchenleitung beraten. Ein anderes Modell bietet das Programm in Kambodscha: Hier haben mehrere Fachkräfte unter dem gemeinsamen Oberziel „Versöhnung fördern“ an verschiedenen Stellen angesetzt – von lokalen NGOs über Medien bis hin zur nationalen Versöhnungskommission. Den Zugang des ZFD zu hohen staatlichen Stellen betrachtet Paffenholz allerdings als Glücksfall.
Die Empfehlung, auf mehreren Ebenen anzusetzen, ist nicht strittig. Der ZFD wolle Strukturen verändern, erklärt Friedrich, nur setze er dabei von unten an. Das heiße nicht, dass er staatliche Stellen meidet. Die Träger des ZFD sind auch nicht gegen ein stärker strategisches Vorgehen. Für sie ist die Frage, wer die Strategie entwickelt: das BMZ oder die Dienste mit Partnern im Konfliktland? „Den zweiten Weg gehen wir schon“, sagt Jürgen Deile vom EED, der zweite Sprecher des Konsortiums ZFD: „Wir entwickeln Strategiepapiere auf der Basis von Partnerkontakten.“ Gegen Gespräche darüber mit dem BMZ sei nichts einzuwenden, sie müssten aber „auf Augenhöhe“ stattfinden.
Das zuständige Referat im Ministerium betont: „Die Strategie ist eine Bringschuld der Träger.“ Eckhard Volkmann wünscht sich gemeinsame Konfliktanalysen, die andere Entwicklungsvorhaben berücksichtigen, ohne dass der ZFD sich darin einfügen müsse. „In die Entscheidung, wie sich ZFD-Strategien mit staatlicher Entwicklungspolitik ergänzen oder von ihr abgrenzen, soll der zuständige Ländereferent im BMZ eingebunden werden“, so Volkmann weiter. Mehr Zusammenarbeit eröffne aber Chancen. Wenn zum Beispiel Träger des ZFD in einem Land eine neue Konfliktdynamik beobachten, könnten sie das den für Entwicklungszusammenarbeit zuständigen Referenten an der Botschaft oder den BMZ-Länderreferenten mitteilen. Die könnten solche Informationen für die eigene Strategieentwicklung und im Politikdialog nutzen, bietet Volkmann an. Der ZFD solle jedoch nicht Teil der Länderkonzepte des BMZ werden.
Ein Sonderfall ist der frühere DED. Er entsendet die meisten ZFD-Fachkräfte – derzeit 115 von rund 250 – und ist Anfang 2011 in der staatlichen Entwicklungsagentur GIZ aufgegangen (vgl. den Beitrag auf Seite 22). Das biete Möglichkeiten, ZFD-Projekte mit anderen GIZ-Projekten zu verzahnen, sagt Mattias Ries. Auch der Zugang zu staatlichen Stellen im Projektland werde wohl leichter. Doch kann das auf Dauer dazu führen, dass diese ZFD-Projekte in die Programme der GIZ eingepasst werden? „Auch innerhalb der GIZ soll der ZFD eigenständig und sichtbar bleiben“, sagt Ries.
Mehr strategische Planung, so betonen die Träger, kostet Geld. Doch ein Anstieg des ZFD-Etats ist derzeit nicht in Sicht. Die Arbeitsbeziehungen der ZFD-Träger zum BMZ scheinen im Übrigen gut. Die Sorgen im Konsortium sind wohl eher in der Frage begründet, ob das BMZ-Referat seine Linie im Ministerium durchhalten kann – und im Verhältnis zum Auswärtigen Amt. Der Begriff „Steuerung“ klingt da nicht für jeden nach Gesprächen auf Augenhöhe.
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