Die Förderung der EU für nichtstaatliche Organisationen, die sich in EU-Politikbereichen wie Gesundheit, Umwelt- und Klimaschutz, Migration und Flucht sowie Bildung engagieren, ist laut dem Europäischen Rechnungshof (European Court of Auditors, ECA) zu wenig transparent. Es sei nur schwer nachvollziehbar, welche Organisationen welche Rolle bei der Gestaltung dieser Politikbereiche spielen, heißt es in einem Anfang April vorgestellten Sonderbericht des Prüfgremiums .
Für die geförderten NGOs, vor allem aus dem Bereich Umweltschutz, kommt der Bericht zur Unzeit: Sie müssen sich seit Monaten gegen den Vorwurf konservativer EU-Parlamentarier wehren, sie betrieben von der EU-Kommission geförderte undurchsichtige Lobbyarbeit in Brüssel. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des EU-Parlaments, Niclas Herbst von der konservativen EVP-Fraktion, begrüßte den ECA-Bericht denn auch: „Der Rechnungshof bestätigt unsere Kritik an der NGO-Finanzierung“, sagte Herbst.
Klare Kriterien fehlen
Laut dem Rechnungshof hat die EU im Untersuchungszeitraum 2021 bis 2023 nichtstaatliche Organisationen mit insgesamt 7,4 Milliarden Euro gefördert; zwei Drittel davon hat die EU-Kommission direkt vergeben, ein Drittel floss über die Mitgliedstaaten an die Organisationen. Neben dem Mangel an Transparenz kritisiert der Rechnungshof vor allem das Fehlen klarer Kriterien, was eine nichtstaatliche Organisation ist und was nicht. So seien die Prüfer auf Organisationen gestoßen, die als NGO registriert seien, in deren Führungsgremien aber Vertreter von Staaten säßen.
Informationen zur NGO-Förderung würden „in verschiedenen Systemen, auf verschiedenen Websites und in verschiedenen Datenbanken veröffentlicht“, heißt es im ECA-Bericht. Dieser „fragmentierte Ansatz“ beeinträchtige die Transparenz. Der Rechnungshof weist darauf hin, dass die Kommission gemäß der aktualisierten Haushaltsordnung Informationen über EU-Ausgaben zentralisiert auf einer Website veröffentlichen müsse; ab 2027 sollte eine solche Website verfügbar sein. Bis dahin, so der Rechnungshof, sei es „praktisch unmöglich, zuverlässige Informationen über alle EU-Mittel, die an NGOs gezahlt wurden, zu erhalten“.
Das befördert nach Ansicht des Rechnungshofes den Trend, dass nur eine relativ kleine Zahl von Organisationen den Großteil der EU-Förderung erhält. Im Bereich Umwelt und Klima etwa hätten im Untersuchungszeitraum von 300 geförderten Organisationen nur 30 zusammen mehr als die Hälfte der Fördermittel bekommen.
Ruf nach zentralem Informationszugang
Auf einer Pressekonferenz mehrerer NGOs anlässlich des ECA-Berichts bestätigte die Präsidentin des EU-weiten NGO-Netzwerks Civil Society Europe, Gabrielle Civico, zentrale Kritikpunkte des Rechnungshofes: Daten zur Förderung von NGOs müssten besser zugänglich gemacht werden, und es müsse eindeutig definiert werden, was zivilgesellschaftliche Organisationen ausmache. Raphaël Kergueno von Transparency International EU hingegen erklärte, er sei „nicht einverstanden“ damit, dass der Rechnungshof die NGO-Förderung als „undurchsichtig“ bezeichne. Wer wolle, könne sich heute schon ein vollständiges Bild machen, indem er die drei maßgeblichen Datenbanken nutze. Der Rechnungshof hingegen berufe sich in seinem Bericht nur auf eine Datenbank, das Financial Transparency Register. Kergueno räumte aber ein, es sei ein Problem, dass die Informationen nicht zentralisiert zugänglich seien.
Bei der Vorstellung des Berichts betonte der Rechnungshof laut Medienberichten, er sei auf keine Fälle gestoßen, in denen geförderte NGOs gegen Werte oder Recht der EU verstoßen hätten, auch nicht in ihrer Advocacy- oder Lobbyarbeit. Aber weil die Förderung so intransparent sei, bestehe das Risiko, dass das passiere. Die EU-Kommission hatte eine Woche vor der Veröffentlichung des ECA-Berichts in einer Erklärung eingeräumt, in einigen Fällen hätten die Arbeitsprogramme geförderter Umwelt-NGOs „spezifische Advocacy-Aktionen und unangemessene Lobby-Aktivitäten enthalten“. Man werde solche Fälle in Zukunft verhindern, heißt es in der Erklärung.
Für eine lebendige Zivilgesellschaft
Die Kommission betont zugleich, sie fühle sich weiterhin der Unterstützung einer „gesunden und lebendigen Zivilgesellschaft verpflichtet“, die sich an der Politikgestaltung beteiligt. Gabrielle Civico von Civil Society Europe sagte auf der NGO-Pressekonferenz, Einmischung in die Politik und Advocacy für gesellschaftliche Anliegen sei der Auftrag zivilgesellschaftlicher Organisationen und keineswegs unangemessene Lobbyarbeit.
Abgeordnete der EVP sowie rechtspopulistischer Fraktionen im EU-Parlament sehen das seit Jahren anders und wollen die Mitwirkung von NGOs etwa an der Umwelt- und Klimapolitik der EU beschneiden. Darüber hinaus werfen sie der Kommission vor, sie habe NGOs in der Vergangenheit regelrecht beauftragt, EU-Parlamentarier zu bearbeiten, damit diese im Sinne der Umwelt- und Klimapolitik der Kommission stimmten.
Dem European Environmental Bureau (EEB) etwa, einer der größten Umweltorganisationen in Brüssel, war vorgeworfen worden, es habe im Auftrag der EU-Kommission gegen das EU-Mercosur-Abkommen lobbyiert. Patrizia Heidegger vom EEB weist das strikt zurück. Um bei der Kommission einen Betriebskostenzuschuss zu beantragen, müsse die Organisation ihr Arbeitsprogramm vorlegen, sagt sie auf Anfrage. „Das missverstehen manche dann so, als beauftrage die Kommission die Organisation mit der Umsetzung dieses Programms. Aber wir tauschen uns mit der Kommission gar nicht über Themen aus.“
Auf der NGO-Pressekonferenz anlässlich des ECA-Berichts sprach Heidegger von einer „Hexenjagd“ gegen Umwelt-NGOs. Sie appellierte an das EU-Parlament, einem Untersuchungsausschuss zur NGO-Förderung nicht zuzustimmen, sollte ein solcher beantragt werden. „Solche Untersuchungen sollten echten Korruptionsskandalen vorbehalten bleiben.“
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