Die fünfzehn Beiträge sagen alle, dass Entwicklungspolitik weiter gebraucht wird, aber eine andere als bisher. Die Autoren begründen das indes unterschiedlich. Ihre Texte sind alle vorher schon veröffentlicht worden, die meisten stammen aus dem Blog „Weltneuvermessung“.
Unterschiedliche Aussagen gibt es etwa zur Frage, inwieweit Entwicklungspolitik normativ begründet sein soll und inwieweit von „deutschen Interessen“ bestimmt. Sie moralisch zu begründen, lehnen Thomas Bonschab und Robert Kappel ausdrücklich ab. Günter Maihold und Werner Raza warnen hingegen, Entwicklungspolitik solle sich nicht für Außen- oder Wirtschaftpolitik in Dienst nehmen lassen; sonst werde die Chance verspielt, zu gemeinsamem Handeln mit Ländern des Südens zu finden. Mehrere Texte fordern, sich auf Entwicklungsvorhaben zu konzentrieren, die sowohl dem globalen Gemeinwohl als auch deutschen Interessen dienen – etwa wenn mit deutschen Firmen emissionsfreie Lieferketten geschaffen werden. Versuche, „langfristige“ deutsche Interessen so zu definieren, dass sie mit Werten zusammenpassen, überzeugen nicht ganz. Immerhin herrscht weitgehend Einigkeit, dass die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) Leitwerte sein müssen.
Ein zweiter Dissens betrifft die Privatwirtschaft. Kappel und Bonschab fordern etwa viel mehr Zusammenarbeit der Entwicklungspolitik mit deutschen Unternehmen, auch bei der Planung. Theo Rauch betont dagegen, dass die Schaffung produktiver Arbeitsplätze im Süden in erster Linie nicht am Mangel an ausländischen Privatinvestitionen scheitere, sondern an den Rahmenbedingungen im Welthandel und einer davon mitbedingten falschen Wirtschaftspolitik der Länder im Süden. Es sei der Entwicklungspolitik nicht gelungen, etwa die Welthandelsregeln zu verbessern. Die Frage ist allerdings, ob sie das gegen die vorherrschende Handels- oder Finanzpolitik kann; Kappel und Bonschab mahnen mit Recht, ihre Gestaltungsmacht nicht zu überschätzen.
Mehrere Beiträge betonen, dass im Süden heute ganz andere Arten der Zusammenarbeit gefragt sind als vor Jahrzehnten. Sie bringen Vorschläge, die Praxis der deutschen Entwicklungspolitik zu verbessern – etwa mit weniger Klein-Klein und mehr strategischen Programmen. Der erhellendste Text ist der von Rauch: Er sortiert die Argumente, erklärt die großen Erfolge und Misserfolge der Entwicklungspolitik und zeigt, wo die Diskussion über Werte versus Interessen und über die Einbeziehung deutscher Privatunternehmen in die Irre läuft.
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