Laut dem Ende 2024 veröffentlichten Bericht der Landesregierung hat Hessen in den Jahren 2022 und 2023 50 Projekte nichtstaatlicher Organisationen in 25 Ländern des globalen Südens und 31 Projekte in Deutschland in Hessen unterstützt, letztere vor allem zum Globalen Lernen. Federführend ist das Wirtschaftsministerium, auch in Fragen der entwicklungspolitischen Inlandsarbeit. Sechs Eine-Welt-Promotorenstellen werden von dem Bundesland kofinanziert, Hessen trägt 40 Prozent der Kosten, 60 Prozent übernimmt der Bund.
2021 hat Hessen laut dem Bericht 3,1 Millionen Euro für die Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt, 2022 stieg die Summe auf 7,2 Millionen Euro. Die Steigerung ist vor allem auf die humanitäre Unterstützung der Ukraine zurückzuführen. Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor.
Der Bericht beschreibt neben Projekten zivilgesellschaftlicher Organisationen im globalen Süden auch internationale Polizeimissionen, Richteraustausch, Forschungsprojekte zu Tropenkrankheiten und Außenwirtschaftsförderung in Vietnam. Eine klare Linie ist nicht erkennbar. „Wir hätten uns eine präzisere Beschreibung dessen gewünscht, was unter Entwicklungszusammenarbeit in Abgrenzung zu internationaler Arbeit verstanden wird“, sagt Monika Treber vom Vorstand des Entwicklungspolitischen Netzwerks Hessen. Das Netzwerk ist der Verband nichtstaatlicher Entwicklungsorganisationen und der Eine-Welt-Initiativen im Bundesland.
Keine Änderungen nach dem Regierungswechsel
Nach der Landtagswahl im Oktober 2023 löste eine schwarz-rote Koalition die frühere Regierung von CDU und Grünen ab. Im Bericht stellt also die jetzige Landesregierung die Entwicklungspolitik der Vorgängerregierung vor. In Fragen der Entwicklungszusammenarbeit gab es auf der Ebene der Bundesländer und Kommunen bisher einen weitgehenden Konsens zwischen den Parteien CDU, SPD und Grüne. Projekte und Partnerschaften werden nach Regierungswechseln in der Regel weitergeführt – wobei nach den Landtagswahlen in einigen ostdeutschen Bundesländern im vergangenen Jahr Eine-Welt-Initiativen befürchteten, dass Mittel gekürzt werden könnten.
Die Arbeit des Beirats, der seit 2019 die hessische Landesregierung in Fragen der Entwicklungszusammenarbeit berät, wurde nach dem Regierungswechsel 2023 zunächst beendet, soll jetzt aber neu gestartet werden. Das Gremium versucht, die verschiedenen Organisationen und Initiativen in Hessen zu vernetzen, den Vorsitz hatte bisher das Entwicklungspolitische Netzwerk. „Der Beirat ist wichtig, weil er von der Landesregierung Rechenschaft einfordert, ob sie die entwicklungspolitischen Leitlinien des Land beachtet“, sagt Monika Treber. „Wir begrüßen die erneute Einsetzung.“
Heute betreiben alle Bundesländer in unterschiedlichem Ausmaß Entwicklungspolitik und stehen dabei zwischen dem Bund auf der einen und den Kommunen auf der anderen Seite. Das sei eine noch relativ junge Erscheinung, sagt der entwicklungspolitische Berater Burkhard Vielhaber. Lange sei Entwicklungszusammenarbeit aus Sicht der meisten Bundesländer eine primäre Angelegenheit des Bundes gewesen. Die Pariser Klimakonferenz von 2015 und die Diskussion um die UN-Nachhaltigkeitsziele bis 2030 hätten zu einem Umdenken geführt.
Leitlinien geben Orientierung
Manche Bundesländer fokussieren sich auf Partnerschaften mit einer Region wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen seit 2007 mit Ghana, Rheinland-Pfalz seit 1982 mit Ruanda, Baden-Württemberg seit 2014 mit Burundi oder Niedersachsen seit 1995 mit der Region East Cape in Südafrika. Dabei binden sie auch die Zivilgesellschaft ein und ermutigen zu kommunalen Partnerschaften in den Partnerregionen. Für die Ausrichtung ihrer Entwicklungszusammenarbeit haben die meisten Bundesländer zusammen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen Leitlinien erarbeitet, die Orientierung geben „für eine gemeinsame inhaltliche Ausrichtung des Engagements im Land und seiner Kommunen“, sagt Burkhard Vielhaber.
Russlands Angriff auf die Ukraine bedeutet auch für die internationale Zusammenarbeit der Bundesländer eine Zäsur. Seit dem Februar 2022 habe sie zunehmend eine „strategische außenpolitische Dimension“ bekommen, sagt Vielhaber. Sieben Bundesländer haben seither Partnerschaften mit Regionen in der Ukraine geschlossen. Die jüngste Kooperation Nordrhein-Westfalens mit Nordmazedonien seit dem Jahr 2021 dient wohl auch dazu, den russischen Einfluss auf dem Westbalkan zu begrenzen und das Land auf dem Weg zum Beitritt in die Europäische Union zu unterstützen.
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