In der Entwicklungspolitik auf China zugehen?

Bundeskanzler Olaf Scholz und der chinesische Außenminister stehen vor Fahnen und schütteln sich die Hände.
picture alliance/dpa/dpa Pool | Sven Hoppe
Bundeskanzler Olaf Scholz und Wang Yi, Staatsrat für Auswärtige Angelegenheiten und Außenminister der Volksrepublik China, kommen bei der Münchner Sicherheitskonferenz zu einem Gespräch zusammen. Deutschland sollte bei der Entwicklungspolitik in Zukunft stärker mit China kooperieren, schlagen IDOS-Experten vor.
Bundesregierung
Fachleute rechnen nicht damit, dass die nächste Bundesregierung die Entwicklungspolitik abschaffen wird, wie das derzeit in den USA geschieht. Aber die Rahmenbedingungen werden schwieriger, so dass über neue Wege nachgedacht werden muss.

Wenige Tage vor der Bundestagswahl zeigte sich die Leiterin des German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Anna-Katharina Hornidge, vor Journalisten alarmiert: Der Arbeitsstopp der US-amerikanischen Entwicklungsagentur USAID werde gravierende Folgen vor allem für Afrika haben. Auf dem Kontinent sei die Gesundheitsversorgung in manchen Ländern bis zu 90 Prozent auf auswärtige Geldgeber angewiesen. Hier und in der humanitären Hilfe in Afrikas Flüchtlingslagern sei Washington stark engagiert. 

Dass Europa die Lücke füllen könnte, ist illusorisch. Zwar dürfte Deutschland die USA demnächst als größte Gebernation ablösen, doch wird der Druck auf die Ausgaben für Entwicklungspolitik auch hierzulande steigen, erwartet das IDOS. Grund genug für einen Ausblick, welche Politik für Deutschland die richtige wäre.

Entwicklungspolitik erfüllt laut den IDOS-Fachleuten die Aufgabe, mit Gleichgesinnten Kooperationen zu festigen und Bündnisse für den Erhalt globaler Gemeingüter oder offener Handelssysteme zu schmieden – gerade angesichts aktueller geopolitischer Verwerfungen, in denen das Recht des Stärkeren wieder geltend gemacht werde. So verstandene Entwicklungspolitik diene auch eigenen Wirtschaftsinteressen, sagte Hornidge. Aber vor allem sei sie nötig, um Gesellschaften in Partnerländern sozial, ökologisch und ökonomisch zu festigen, damit sie Risiken wie dem Klimawandel widerstehen könnten. 

Diverses Netzwerk an Partnern ist wichtig

Das IDOS wirbt zugleich dafür, Entwicklungsgelder strategischer als bisher einzusetzen. Während die USA sich aus dem westlichen Wertekanon verabschiedeten und Regionalmächte wie China, Russland und Indien ihre Einflusssphären ausdehnten, sollte Deutschland zunehmend Kooperationen mit kleineren Ländern an deren Grenzen pflegen. Ebenso wichtig sei die Zusammenarbeit mit regional wichtigen Staaten wie Nigeria oder Usbekistan und – etwa für den Klimaschutz – in Foren wie den Industrie- und Schwellenländergruppen G7 und G20. 

Derzeit hat Deutschland 65 Partnerländer, zum Teil mit unterschiedlichen Schwerpunkten in der Zusammenarbeit. Ein diverses Netzwerk an Partnern betrachtet IDOS-Experte Stephan Klingebiel als Gebot der Stunde, etwa für Allianzen in UN-Abstimmungen oder für die Versorgung Deutschlands mit wichtigen Rohstoffen. Klingebiel wies zugleich darauf hin, dass die Bedeutung der westlichen OECD-Geberstaaten angesichts der von Schwellenländern wie China und Brasilien vorangetriebenen Süd-Süd-Kooperation schrumpfe. Zudem werde die Zahl der von der OECD als Entwicklungsländer klassifizierten Staaten kleiner: Bis zum Jahr 2030 dürften laut Klingebiel 38 Länder, die nach OECD-Kriterien berechtigte Empfänger von Entwicklungshilfe sind, aus diesem Kreis ausscheiden, weil sie Hocheinkommensländer werden. 

Kann Deutschland sich also seine Partner überhaupt noch aussuchen? Die Autokratisierungswelle weltweit verändere den Rahmen für entwicklungspolitisches Handeln, sagte IDOS-Expertin Julia Leininger. So müsse stets abgewogen werden, ob mit Autokratien etwa im globalen Klima- und Gesundheitsschutz sinnvoll kooperiert werden könne. Wichtig sei indes Deutschlands Rolle in der Demokratieförderung oder bei der Konfliktbearbeitung und der Friedensförderung. Deshalb dürften in Haushaltsdebatten zivile und militärische Krisenprävention nicht gegeneinander ausgespielt werden, mahnte Leininger. Auch die Eindämmung von Ebola in Afrika und die Energieversorgung in der Ukraine nannte die Expertin als Beispiele entwicklungspolitischer Krisenarbeit. 

Chinas Gewicht in den Vereinten Nationen wird wachsen

Stephan Klingebiel empfahl indes, Deutschland solle mit Blick auf gemeinsames entwicklungspolitisches Handeln stärker auf China zugehen. Deutschland hätte in einer engeren Kooperation mit der Volksrepublik strategisch mehr zu gewinnen als zu verlieren. „In einer Chancen-Risiko-Abwägung sollte man mit China in einen fordernden Dialog über Entwicklungsthemen treten“, sagte Klingebiel. Zumal Peking in den Vereinten Nationen angesichts des Rückzugs der USA unter Donald Trump voraussichtlich ein stärkeres Profil entwickeln werde. 

Bemerkenswert wenig kam die EU in dem IDOS-Ausblick vor. Einer weiteren Europäisierung der Entwicklungspolitik räumt Direktorin Hornidge denn auch wenig Chancen ein. Dagegen spreche unter anderem, dass in der bilateralen Kooperation nationale Interessen immer eine Rolle spielen und dies auch für die gesellschaftliche Unterstützung durch Steuerzahler relevant sei, sagte sie. 

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