Laut Medienberichten schlägt die Generaldirektion Internationale Partnerschaften (INTPA) der EU-Kommission vor, die Zahl der für Entwicklungspolitik zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in hundert EU-Delegationen in Entwicklungs- und Schwellenländern deutlich zu reduzieren und ihre Aufgaben auf 18 regionale Knotenpunkte zu konzentrieren. Zur Begründung heißt es in einem internen Papier, über das unter anderem das Onlineportal „Euronews“ berichtet, die gegenwärtige Aufstellung passe nicht mehr zu EU-Interessen im Ausland in Bereichen wie Sicherheits- und Migrationspolitik. Sie passe auch nicht zum Ziel, die EU-Infrastrukturinitiative Global Gateway voranzubringen, das entwicklungspolitische Flaggschiff der EU seit einigen Jahren.
Vor 25 Jahren wurde die EU-Entwicklungspolitik stark dezentralisiert und die Verantwortung weitgehend auf das zuständige Personal in den EU-Länderdelegationen übertragen. Das soll laut dem INTPA-Papier nun korrigiert und die Entscheidungshoheit wieder stärker in Brüssel konzentriert werden. Die Reform soll außerdem Kosten sparen helfen. Vor einem Jahr hat die EU im laufenden Haushalt mehrere Milliarden Euro aus dem Entwicklungshaushalt zugunsten von Vorhaben der Migrationspolitik und für die Ukraine-Hilfe umgeschichtet.
Das entwicklungspolitische Onlineportal „Devex“ berichtet, die 18 neu zu schaffenden Knotenpunkte für die EU-Entwicklungspolitik an Standorten in Afrika, Asien, Lateinamerika und im Pazifik sollten sich vor allem um vier Schwerpunkte kümmern: Global Gateway; fragile Staaten; Regierungsführung, Migration, Menschenrechte und Zivilgesellschaft; sowie strategische Kommunikation. Angesiedelt werden sollen sie laut „Devex“ in Afrika etwa in Dakar im Senegal (mit Zuständigkeit für Mauretanien, Kapverden, Gambia, Guinea und Guinea-Bissau) und Addis Abeba in Äthiopien (zuständig für Eritrea, Dschibuti und die Afrikanische Region), in Asien unter anderem in Bangkok in Thailand (zuständig für Vietnam, Indonesien, die Philippinen, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar und China) und in Lateinamerika etwa in Bogota in Kolumbien (zuständig für Bolivien, Ecuador, Guyana, Peru, Surinam und Venezuela).
Eingespart werden soll vor allem lokales Personal
Mit der Konzentration soll vor allem lokales Personal in den Länderdelegationen eingespart werden – was Fachleute laut „Devex“ für keine gute Idee halten: Lokale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien in der Entwicklungszusammenarbeit oft eine Art institutionelles Gedächtnis, da sie seltener wechselten als eingeflogenes Personal aus der EU. Die Gewerkschaft für EU-Auslandsmitarbeiter USHU kommentiert den INTPA-Vorstoß unter anderem mit den Worten, die Pläne könnten die Effektivität der EU-Entwicklungspolitik und die Rolle Europas in der Welt schwächen.
Hintergrund der INTPA-Vorschläge ist ein ebenfalls an die Medien durchgestochenes Papier vom vergangenen Herbst, in dem der Auswärtige Dienst der EU skizziert, wie die insgesamt 145 EU-Delegationen rund um den Globus neu strukturiert werden könnten. Darin heißt es, in weniger wichtigen Ländern müsse Personal abgebaut werden, um Kosten zu sparen. Gestärkt werden sollen hingegen Delegationen in Ländern, die strategische Interessen der EU berühren, etwa sicherheitspolitisch relevante instabile Staaten oder große Schwellenländer der G20. Auch dem Auswärtigen Dienst geht es laut dem Papier darum, Global Gateway voranzubringen, Investitions- und Handelsinteressen der EU zu schützen und Migration zu managen.
Das Netzwerk europäischer Entwicklungsorganisationen CONCORD äußert sich auf Anfrage kritisch zu den Plänen. Die EU-Delegationen spielten eine „unbezahlbare Rolle, die Bedürfnisse lokaler Gemeinschaften in den Partnerländern zu verstehen“. Die vorgeschlagenen Einsparungen „würden wahrscheinlich Posten betreffen, die fälschlicherweise als verzichtbar gelten, darunter solche, die auf das Engagement der Zivilgesellschaft, Geschlechtergerechtigkeit und lokale Partnerschaften fokussieren“.
Kritik auch aus dem EU-Parlament
Der SPD-Entwicklungspolitiker und Europaabgeordnete Udo Bullmann sagt auf Anfrage, er könne „nicht nachvollziehen, warum man gerade jetzt das Budget sowie das Personal des Europäischen Auswärtigen Dienstes kürzen möchte – und das insbesondere, ohne eine angemessene Debatte mit dem Parlament zu führen“. In der gegenwärtigen Weltlage sollte die EU „das Vertrauen anderer Staaten nicht verspielen, sondern vielmehr versuchen, das derzeit weit offene Machtvakuum auf der Weltbühne zu füllen und eine stärkere Rolle in den Ländern des Globalen Südens zu übernehmen“. Mehr denn je benötige die EU eine starke Diplomatie mit angemessenen Vertretungen in ihren Partnerländern.
Würden die Reformvorschläge von INTPA und dem Auswärtigen Dienst verwirklicht, könnte das zu einem weiteren Rückzug der EU aus besonders armen Ländern in Afrika führen und ihren Beitrag zur Bekämpfung von Hunger und Armut und zur Förderung von sozialen Diensten wie Gesundheit und Bildung schwächen. Die Vorschläge folgen insofern dem stärker an eigenen Interessen orientierten Kurs, den die EU-Entwicklungspolitik spätestens mit Global Gateway eingeschlagen hat und für den seit Dezember der neue EU-Kommissar für Internationale Partnerschaften, der Tscheche Jozef Síkela, steht. Laut „Devex“ betrifft die Umschichtung im EU-Haushalt zulasten der Entwicklungszusammenarbeit vergangenes Jahr besonders sehr arme Länder: So erhalte etwa die Zentralafrikanische Republik für die Jahre 2025 bis 2027 rund 73 Prozent weniger EU-Mittel als 2021 bis 2024, Togo 48 Prozent weniger und Malawi 45 Prozent weniger.
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