Schwieriger Endspurt beim Pandemieabkommen

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Pandemievorsorge
Seit gut drei Jahren verhandeln die Staaten über eine Vereinbarung, die die Welt besser auf die nächste Pandemie vorbereiten soll. Ob sie sich bis zur Weltgesundheitsversammlung im Mai einigen, ist ungewiss; wichtige Fragen, etwa zum Zugang zu Impfstoffen, sind noch strittig.

Im November 2021 tauchte in Südafrika eine neue Variante des Coronavirus auf, Omikron genannt. Südafrikanische Wissenschaftler reagierten schnell, sequenzierten das Genom des Erregers und informierten die Weltgemeinschaft. Dieses vorbildliche Vorgehen wurde dem Land allerdings nicht gelohnt, im Gegenteil: Viele andere Staaten, vor allem reiche Länder im Norden, verhängten panisch Einreiseverbote für Menschen aus Südafrika und seinen Nachbarländern. Auf diese Weise wollten sie die neue, hoch ansteckende Covid-Variante fernhalten, was natürlich nicht gelang. Vor allem aber ging Südafrika, so wie der Kontinent insgesamt, bei den an die neue Variante angepassten Impfstoffen weitgehend leer aus, obwohl die Pharmakonzerne bei der Entwicklung auf die südafrikanischen Daten zurückgreifen konnten.

Damit so etwas nicht wieder passiert, soll bei der nächsten Pandemie ein international abgestimmtes Verfahren dafür sorgen, dass Staaten ihre Daten über gefährliche Erreger weitergeben und zugleich Zugang zu den auf Grundlage solcher Daten entwickelten Diagnostika, Medikamenten und Impfstoffen bekommen. Unter anderem soll die Weltgesundheitsorganisation (WHO), wenn eine Pandemie droht, einen Anteil der weltweit produzierten Impfstoffe und Medikamente zu günstigen Preisen oder kostenlos erhalten, um sie an bedürftige Länder zu verteilen. Dieses Verfahren mit der Bezeichnung Pathogen Access and Benefit-Sharing, kurz PABS, ist das Herzstück des internationalen Pandemieabkommens, über das die WHO-Mitglieder seit gut drei Jahren verhandeln. Im Verhandlungstext ist derzeit von einem Anteil von 20 Prozent für die WHO die Rede.

Streitpunkt „Pathogen Access and Benefit-Sharing“

Die WHO hatte die Verhandlungen über das Abkommen im Dezember 2021 gestartet mit dem Ziel, die Welt besser auf die nächste Pandemie vorzubereiten. Ursprünglich sollte es bereits im Mai vergangenen Jahres beschlossen werden, aber zu viele Punkte waren noch strittig. Jetzt soll es auf der Weltgesundheitsversammlung im kommenden Mai verabschiedet werden. Es ist aber keineswegs sicher, dass sich die Staaten in den nächsten beiden Verhandlungsrunden im Februar und im April einigen – und größter Streitpunkt ist ausgerechnet das so wichtige PABS.

Autor

Tillmann Elliesen

ist Redakteur bei "welt-sichten".

Die Konfliktlinie verläuft vor allem zwischen den reichen Ländern mit starker Pharmaindustrie und den Staaten Afrikas, erklärt Julia Stoffner, Referentin für internationale Gesundheitspolitik beim Hilfswerk Brot für die Welt. Sie sagt, die Industrieländer wollten die beiden Aspekte, die PABS bewusst miteinander verknüpft – Bereitstellung von Daten zu Erregern einerseits, Zugang zu Diagnostika, Medikamenten und Impfstoffen andererseits –, voneinander entkoppeln. Die Staaten Afrikas seien aus gutem Grund dagegen. Denn mit der Verknüpfung solle ja sichergestellt werden, dass sich so etwas wie im Fall der Omikron-Variante nicht wiederholt. 

Einige reiche Länder wollten den Zugang zu Erregerdaten, die über PABS bereitgestellt würden, zudem anonymisieren. Würde das beschlossen, könnte nicht mehr nachvollzogen werden kann, wer auf die Daten zugreift, sagt Stoffner. Und dann könnten die Länder, die die Daten bereitgestellt haben, keine Ansprüche gegenüber den Nutzern stellen. Die Länder des globalen Südens fordern deshalb, dass jeder, der PABS-Daten nutzt, den Bedingungen dafür zustimmt und Zugang zu neu entwickelten Diagnostika, Medikamenten und Impfstoffen schafft.

Nicht immer eine klare Trennlinie

Die Expertin weist aber auch darauf hin, dass in den Verhandlungen über das Pandemieabkommen nicht immer eine klare Trennlinie zwischen reichen und ärmeren Ländern verlaufe. Länder mit relativ starker Pharmaindustrie wie China oder Malaysia stünden in vielen Punkten nicht automatisch auf der Seite der Entwicklungsländer, etwa wenn es um Technologietransfer geht. 

Weitere strittige Punkte in den Verhandlungen betreffen die Pandemievorbeugung und den One-Health-Ansatz, bei dem die Gesundheit von Menschen, Tieren und der Natur zusammen betrachtet wird. Die reichen Länder verlangen hier größtmögliche Anstrengungen seitens aller Staaten, um die grenzüberschreitende Ausbreitung gefährlicher Erreger zu verhindern. Viele ärmere Länder hingegen halten sich mit Zugeständnissen dazu zurück, da sie fürchten, sie könnten sich zu etwas verpflichten, was sie im schlimmsten Fall nicht bezahlen können. 

In diesem Punkt wird das Pandemieabkommen, sollte es im Mai verabschiedet werden, die gleiche Schwäche aufweisen wie andere internationale Vereinbarungen: Es regelt nicht, wie die einzelnen Beschlüsse finanziert und vor allem wie die finanziellen Lasten zwischen den Staaten geteilt werden sollen. Es enthält zudem keine Möglichkeit, Staaten zu sanktionieren, wenn sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Und weil die in PABS geregelte Frage des Zugangs zu Daten und zu Wirkstoffen derart strittig ist, ist jetzt schon klar, dass sie aus dem Abkommen herausgenommen und als Annex angehängt wird. Dem kann jeder Staat dann unabhängig vom eigentlichen Abkommen gesondert zustimmen – oder auch nicht. 

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erschienen in Ausgabe 1 / 2025: Abwehrkräfte stärken
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