Die Arbeitsgemeinschaft der Eine Welt-Landesnetzwerke in Deutschland (agl) hat Vertretern der Parteien (außer der AfD) ein Positionspaper zur Bundestagswahl 2025 geschickt. Darin fordert sie, das EU-Lieferkettengesetz schnell in nationales Recht umzusetzen, internationale Partnerschaften verlässlich zu fördern und die entwicklungspolitische Zivilgesellschaft zu stärken. „Tausende von Menschen engagieren sich mit Eine Welt-Arbeit in Vereinen, Initiativen und ihren Netzwerken in ganz Deutschland“, schreiben die Verantwortlichen. Doch angesichts von Gewaltkonflikten, dem Klimawandel, der Krise der Demokratie sowie wiederkehrenden Forderungen, die Entwicklungszusammenarbeit zu kürzen, seien nichtstaatliche Organisationen und Verbände verunsichert.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden wichtige hauptamtliche Strukturen für entwicklungspolitische Arbeit im Inland geschaffen, und die Themen wurden von der Politik aufgegriffen. So wurde Anfang der 1990er Jahre die agl gegründet, in den Bundesländern sind staatlich finanzierte Netzwerke gewachsen. „Es gibt jedoch inzwischen mehr Gegenwind, der es für unsere Themen schwieriger macht", sagt Martin Weber, Vorstandsvorsitzender der agl. Eine Welt-Netzwerke würden heute bisweilen als Teil des „Establishments“ wahrgenommen. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Die Debatten zeigten, dass Entwicklungszusammenarbeit mehr erklärt werden müsse, so Weber. Denn die Vertreter der Parteien äußerten zwar Verständnis für entwicklungspolitische Forderungen, doch niemand wolle sich öffentlich klar positionieren. Das gelte auch für die Klimapolitik.
Kurzfristig ist die Finanzierung etwa des bundesweiten Programms für Eine-Welt-Promotoren gesichert; für 2025 und 2026 gibt es feste Zusagen des Bundesentwicklungsministeriums, das 60 Prozent der Kosten trägt. Die restlichen 40 Prozent übernehmen die jeweiligen Landeshaushalte. Doch längerfristig gibt es viele Ungewissheiten. Zudem hat die Zustimmung in der Bevölkerung zur Entwicklungspolitik laut dem neuesten Meinungsmonitor des entwicklungspolitischen Evaluierungsinstituts DEval erheblich nachgelassen. „Weil sich Mehrheiten nach rechts verschieben, fallen erst einmal Fürsprecher für Entwicklungszusammenarbeit in den Parlamenten weg“, befürchtet Andreas Rosen von der Stiftung Nord-Süd-Brücken.
Gegenwind für Lieferkettengesetze
Vertreter der Eine-Welt-Arbeit sehen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte in Gefahr, etwa bei Sozial- und Umweltstandards in Lieferketten. Martin Fiedler vom Forum Fairer Handel befürchtet, dass Politiker mit Schlagworten wie Wettbewerbsfähigkeit und Bürokratieabbau Bemühungen um einen besseren rechtlichen Schutz der Produzenten im globalen Süden aufweichen wollen. Bei der Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes in deutsches Recht sei gerade der Versuch zu sehen, die Vorgaben abzuschwächen, sagt Fiedler.
In seinen Forderungen an die Parteien zur Bundestagswahl pocht das Forum Fairer Handel darauf, dass Politik die Produzenten im globalen Süden vor der Macht der Konzerne schützen muss und entsprechende Regelwerke notwendig sind. Fiedler hält hier aktive Lobbyarbeit für wichtig: „Fairer Handel ist auch ein Wirtschaftszweig, dessen Interessen die Politik berücksichtigen muss.“
Eine Welt-Kräfte positionieren sich auch gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft. Vor allem die vielen migrantischen Communities, Vereine und Initiativen müssten sich stärker politisch einmischen, bei den Wahlen ebenso wie im Alltag, „statt uns um Begrifflichkeiten und Befindlichkeiten zu streiten“ , sagt Sami Aras, Vorsitzender des Forums der Kulturen in Stuttgart, einer der wichtigsten Plattformen für migrantisches Engagement in Deutschland. „Werte und Haltungen, die für eine vielfältige und offene Demokratie elementar sind, sind mancherorts nicht mehr konsensfähig.“ Gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Kräften müsse die migrantische Szene deshalb „dafür eintreten, dass Menschlichkeit und Solidarität, gerade auch Schwachen und Verfolgten gegenüber, wieder unser Handeln bestimmen“.
Auch Martin Weber von der agl betont, es sei wichtig, offen für neue Kooperationen mit anderen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteuren zu sein. „Außerdem müssen wir unsere Themen neu anschlussfähig machen, globale Solidarität neu erklären. Dazu müssen wir neue Wege gehen. Der Schlüssel dazu steckt in uns selbst“.
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