Rund 300 Organisationen, Initiativen und andere Aktive aus der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit haben auf dem Kongress WeltWeitWissen Ende September in Kassel gefordert, das Globale Lernen in Deutschland zu stärken. In der Kasseler Erklärung, die zum Abschluss des Kongresses an die hessische Sozialstaatssekretärin Manuela Strube (SPD) übergeben wurde, heißt es: „Die für Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung bereitgestellten Mittel im Bundes- und in den Landeshaushalten müssen deutlich erhöht werden.“ Das bundesweite Treffen zum Globalen Lernen wird alle zwei Jahre von einem der Eine-Welt-Landesnetzwerk ausgerichtet, dieses Jahr vom Entwicklungspolitischen Netzwerk Hessen in Zusammenarbeit mit der Universität Kassel.
In den Workshops ging es viel um rassismuskritische und dekoloniale Perspektiven auf Themen wie Klimawandel, fairer Handel oder die Schuldenkrise im globalen Süden, aber auch um praktische Fragen wie die Verankerung von globalem Lernen in der beruflichen Bildung oder die Zusammenarbeit von schulischer und außerschulischer Bildung. Die Kasseler Erklärung soll in den kommenden Wochen von möglichst vielen Organisationen unterschrieben und dann an Entscheidungsträger in den Ländern und auf Bundesebene übergeben werden. Ein Problem ist, dass die Zuständigkeiten durch den Föderalismus zersplittert sind: Für Globales Lernen ist das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) zuständig, für schulische Bildung die Bundesländer und für Anti-Rassismus-Erziehung das Bundesinnenministerium.
Im Haushaltsentwurf der Ampelregierung für 2025 sind im BMZ-Etat für die entwicklungspolitische Bildungsarbeit etwas mehr als 44 Millionen Euro vorgesehen, in 2024 waren es 45 Millionen Euro. Damit bleibt die entwicklungspolitische Bildungsarbeit, anders als die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe insgesamt, von Kürzungen weitgehend verschont. Wie es in den Jahren nach 2025 weitergehen wird, ist allerdings offen; Mittelsteigerungen jedenfalls scheinen in der gegenwärtigen Haushaltslage utopisch.
"Marginalisierte Perspektiven stärken"
Bildungsarbeit werde zwar manchmal mit zu vielen Ansprüchen überfrachtet, doch sie „kann Menschen dazu sensibilisieren, Krisen solidarisch zu lösen“, sagt Jonas Laur vom Entwicklungspolitischen Netzwerk Hessen. Allerdings müssten auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden, sonst seien die Erwartungen an Bildung für nachhaltige Entwicklung „nicht legitim“, so Laur. Außerdem müsse sich die Bildungsarbeit für neue Themen und Mitstreiter öffnen, das sei zum Teil schon geschehen.
Wichtig war den Ausrichtern des Kongresses daher der Gedanke der Teilhabe. „Wir wollten marginalisierte Perspektiven stärken, etwa die von Migrantenorganisationen und die Themen Gender, LGBTQ-Rechte und Inklusion“, sagt Nilda Inkermann von der Universität Kassel. Daher gab es neben Übersetzungen aus dem Englischen, Spanischen und Französischen auch einen Gebärdendolmetscher. 28 Stipendiaten und Freiwillige von Brot für die Welt aus Ländern des globalen Südens konnten dank Finanzierung durch das Hilfswerk am Kongress teilnehmen und ihre Perspektiven vorbringen.
Klage junger Menschen gegen unzureichende Klimapolitik
Unter ihnen war die Klimaaktivistin und Anwältin Yi Yi Prue aus der indigenen Gemeinschaft der Marma in Bangladesch, die nahe der Grenze zu Myanmar lebt. Im Auftrag ihrer Gemeinschaft und unterstützt von Brot für die Welt hat Prue sich vor einigen Jahren an einer Klage junger Menschen aus mehreren Ländern vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die unzureichende Klimaschutzpolitik Deutschlands beteiligt. Das Gericht hat in seinem Urteil im Jahr 2021 anerkannt, dass Deutschland heute mehr für den Klimaschutz tun muss, um die Rechte künftiger Generationen nicht über Gebühr zu beschneiden. Es sei ihr sehr wichtig gewesen, ihre Perspektive auf den Klimawandel und seine Auswirkungen in Bangladesch beim Kongress einzubringen, betonte Prue. Denn der Klimawandel treffe vor allem diejenigen, die ihn nicht verursacht haben. Berichte wie der von Yi Yi Prue und das auf dem Kongress aufgeführte Theaterstück „Klima Monologe“ machten die Auswirkungen des Klimawandels auch emotional greifbar, so Jonas Laur.
In Hessen ist Bildung für nachhaltige Entwicklung als Querschnittsthema in den Lehrplänen von Schulen verankert. „Die Nachfrage nach Projekten ist gestiegen“, sagt Anna Dobelmann vom Weltladen in Marburg. Aber man sollte noch breiter denken und Globales Lernen etwa in der politischen Bildung von Gewerkschaften oder in Angebote von Sportvereinen und Unternehmen integrieren.
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