Dass mittlerweile doppelt so viele Opfer erkannt und mit Makasi in Kontakt gebracht werden als vor fünf Jahren liege an der verbesserten Zusammenarbeit der beteiligten Behörden und der Sensibilisierung von Polizei und Justiz, fügt Winkler hinzu. Gegen Menschen- und insbesondere Frauenhandel werde in der Schweiz heute wesentlich häufiger ermittelt als vor wenigen Jahren, bestätigt Boris Mesaric, Geschäftsführer der beim Bundesamt für Polizei angesiedelten Koordinationsstelle gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel (KSMM). „Ermittlungserfolge hängen auch davon ab, wie gut die Polizisten und Untersuchungsrichter ausgebildet sind“, fügt er hinzu. Die KSMM dient als zentrale Informations-, Analyse- und Koordinationsdrehscheibe des Bundes und der Kantone, darin vertreten sind Polizei- und Strafverfolgungsbehörden sowie mehrere Ministerien.
Auf Initiative und unter Mitwirkung der KSMM haben seit 2007 mehrere Kurse für Polizisten stattgefunden, um diese auf die Lage der Opfer, ihr Aussageverhalten und ihre Ängste aufmerksam zu machen. Damit soll ein Vertrauensverhältnis geschaffen werden, damit Betroffene überhaupt Aussagen gegen die Täter wagen. In diesem Jahr legt die KSMM den Schwerpunkt auf die Sensibilisierung der Justiz. Wichtig sei auch hier die Einschätzung der Zeugen und Zeuginnen und ihres Aussageverhaltens. Das ist ganz im Sinne der FIZ: „Oft werden Erinnerungslücken der Frauen als Zeichen der Unglaubwürdigkeit gewertet. Für Spezialisten ist es indes eher ein Hinweis, dass es sich um Opfer handelt, die traumatisiert sind“, erläutert Doro Winkler.
Vor allem in Kantonen, in denen die FIZ und die KSMM Kooperationsmechanismen angeregt haben, werden mehr Opfer erkannt und Erfolge bei der Strafverfolgung erzielt. In 13 der 26 Kantone arbeiten alle beteiligten Stellen an Runden Tischen zusammen. KSMM-Geschäftsführer Mesaric setzt sich dafür ein, dass in allen Kantonen Runde Tische entstehen und die Instrumente im Kampf gegen den Menschenhandel besser ausgeschöpft werden. Es sei zudem unbefriedigend, dass nach aufwändigen Strafuntersuchungen oft Freisprüche und milde Strafen ausgesprochen werden. So kommt es jährlich nur in zwei bis elf Fällen zu Verurteilungen.
Der krasse Gegensatz zwischen der Zahl der Opfer und der Zahl der Anzeigen und den Verurteilungen hat mit den mangelnden Ressourcen im Kampf gegen Menschenhandel zu tun sowie damit, dass Betroffene nach Polizeikontrollen oft abgeschoben werden, bevor sie als Opfer erkannt werden und Anzeige erheben können. Diejenigen, die klagen wollen, müssen befürchten, wegen illegalen Aufenthalts ausgeschafft zu werden. Das neue Ausländergesetz hat zwar 2008 Verbesserungen im Opferschutz gebracht: Es ermöglicht eine Regelung des Aufenthalts mittels einer Bedenkzeit von 30 Tagen, für die Dauer des Strafverfahrens wird eine Kurzaufenthaltsbewilligung von drei bis sechs Monaten erteilt.
Theoretisch kann ein längerfristiger Aufenthalt für gefährdete Personen mit einer Härtefallbewilligung erreicht werden. Doch wird dies laut FIZ kaum angewendet. „Es ist eine ‚Kann-Formulierung’. Dies reicht nicht aus“, kritisiert Doro Winkler. Die Opfer könnten besser geschützt werden, wenn ein Rechtsanspruch auf Aufenthalt bestünde. Die Beurteilung eines „Härtefalls“ liege im Ermessen der Kantone und werde nicht einheitlich gehandhabt. Für Betroffene sei die Unsicherheit über ihr Aufenthaltsrecht sehr schwierig auszuhalten. „Aus unserer Sicht müsste der Opferschutz besser und umfassender gestaltet werden“, betont die FIZ-Mitarbeiterin.
Dennoch macht die Schweiz gesetzlich Fortschritte: Derzeit wird der außerprozessuale Zeugenschutz dem Übereinkommen des Europarats gegen Menschenhandel angepasst. Gefährdete Zeuginnen und Zeugen sollen künftig auch vor, während und nach Abschluss eines Strafverfahrens geschützt werden. „Es gibt eine Verbindung zwischen Aussagewillen und Operschutz“, erklärt KSMM-Geschäftsführer Mesaric. Aus Sicht der FIZ ist es vor allem die gute Betreuung und Stabilisierung der Opfer durch Makasi, die dazu führt, dass immer mehr Betroffene bereit sind, gegen die Täter auszusagen. „Nur dank der umfassenden Begleitung können sie die doch sehr belastenden Strafverfahren durchstehen“, meint Doro Winkler.