Von den Parteien der demokratischen Mitte räumt die CDU/CSU Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen Vorrang in den Beziehungen zum globalen Süden ein, während SPD und Grüne soziale und ökologische Gerechtigkeit als Ziel auf ihre Fahnen schreiben und die FDP "attraktive Angebote" zur Zusammenarbeit machen will. Auf "faire" Kooperation und Schuldenschnitte legt die Linke überragenden Wert, während die AfD deutsche Interessen in den Vordergrund rückt. Das BSW lässt die Entwicklungspolitik in einem Kurzprogramm ganz außen vor.
Internationale Zusammenarbeit wollen CDU/CSU an den strategischen Wirtschaftsinteressen Deutschlands orientieren und dafür Außenwirtschaftsförderung und Entwicklungszusammenarbeit besser verzahnen. „Wir begreifen Afrika als Chancenkontinent, den wir aus eigenem Interesse unterstützen,“ heißt es im Wahlprogramm. Dafür sollen Handels- und Investitionsbeziehungen ausgebaut sowie die afrikanische Freihandelszone unterstützt werden. Deutschland sei als wichtiger Partner in der technologischen Entwicklung zu positionieren – für Wirtschaftswachstum in den Partnerländern, aber auch für Klimaschutz.
Außen- und Entwicklungspolitik sollen nach dem Willen der Unionsparteien stärker verzahnt werden. Nicht zuletzt aus diesem Grund soll das Entwicklungsministerium (BMZ) mit dem Auswärtigen Amt (AA) fusioniert werden. Gegenüber den Partnerländern gilt für CDU/CSU das Motto „klare Erwartungen formulieren“. So heißt es: „Wir verknüpfen unsere Entwicklungspolitik mit (...) dem wirksamen Stopp illegaler Migration, der Bekämpfung von Terrorismus und der Zurückdrängung des geopolitischen Einflusses von Russland und China.“ Für die Krisenregion Sahel wollen die Konservativen mit europäischen Partnern eine neue Strategie entwickeln. Auch humanitäre Hilfe soll stärker der Stabilisierung von Regionen dienen, um Fluchtursachen zu bekämpfen.
Die SPD will eine Milliardärssteuer
Die Sozialdemokraten setzen auf nachhaltige Entwicklungspartnerschaften und globale Gerechtigkeit. Das Ziel wirtschaftliche Entwicklung soll mit Klimaschutz und sozialen Standards kombiniert werden, etwa in Handels- und Investitionsabkommen wie dem zwischen der EU und dem Mercosur und in Partnerschaften für gerechte Energiewenden. In der Frage, wie irreguläre Migration einzudämmen ist, nennt die bisherige Kanzlerpartei die „Bekämpfung von Fluchtursachen“, etwa durch die Förderung politischer und wirtschaftlicher Stabilität sowie von Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten.
Auch die humanitäre Hilfe sieht die SPD eingebettet in eine umfassendere Krisenprävention und Krisenbewältigung in Zusammenarbeit mit NGOs und Kirchen – jedoch ebenso als Mittel, „um diplomatischen Einfluss zu festigen“. Um langfristig Finanzmittel für Entwicklung und humanitäre Hilfe zu sichern, strebt die SPD Fortschritte in der globalen Steuergerechtigkeit an, unter anderem durch eine Milliardärssteuer: „Superreiche sollen stärker für die Finanzierung des Gemeinwohls, insbesondere zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele sowie zur Klimafinanzierung, herangezogen werden.“
Als zweistärkste Kraft der geplatzten Ampelkoalition kehren die Grünen eine „wertebasierte Politik“ mit Fokus auf Dekolonialisierung und Klimagerechtigkeit heraus. Sie wollen so wie die SPD eine eigenständige Entwicklungspolitik mit eigenem Ministerium, die strukturelle Ungerechtigkeiten abbaut. „Unser Ansatz dafür ist feministisch und dekolonial“, heißt es im Programm. So sollen etwa mittels Wissenstransfer lokale Produktionskapazitäten aufgebaut werden, „um neue Abhängigkeiten zu verhindern“. Besondere Unterstützung verdienten die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Staaten und Gemeinschaften, vor allem in Afrika.
Die Vereinten Nationen sind für die Grünen unverzichtbar
Bei der humanitären Hilfe setzen die Grünen auf flexible, mehrjährige Planung, so dass man besser mit Notlagen auch in Regionen mit schwacher Staatlichkeit umgehen kann, sowie auf stärkeren Helferschutz über humanitäre Diplomatie. Nothilfe soll zudem stärker mit Menschenrechts- und Klimaschutzstrategien verbunden werden. Den Vereinten Nationen schreiben die Grünen eine unverzichtbare Rolle zu, sie bekennen sich aber zugleich zur Stärkung von lokalen humanitären Organisationen und Strukturen.
Die FDP will wie die Unionsparteien das BMZ mit dem Auswärtigen Amt fusionieren. Sie sieht die Entwicklungspolitik und die Außen- und Sicherheitspolitik durch die geopolitische Weltlage unter Reformdruck. Wenn autoritäre Regime wie China und Russland versuchten, Staaten des globalen Südens in ihre Einflusszonen zu ziehen, brauche Deutschland eine Außen- und Entwicklungspolitik, die aufstrebenden Mittelmächten in Afrika, Lateinamerika und Asien „attraktivere Angebote zur Zusammenarbeit“ mache als bisher, heißt es. Mit einer „strukturellen Neuausrichtung“ der Entwicklungszusammenarbeit und ihrer Institutionen sollen die Gelder „strategisch“ entlang der wirtschafts- und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands und der EU vergeben werden.
Die Linke grenzt sich deutlich ab
Mit ausdrücklichen Forderungen nach einem Schuldenschnitt und einer Entschuldungsinitiative für alle hochverschuldeten Länder des globalen Südens grenzt sich die Linke deutlich von anderen Parteien ab. Außerdem will die Linke eine globale Mindeststeuer auf Unternehmen, eine globale Milliardärssteuer, die strengere Regulierung der Finanzmärkte und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Faire Kooperationsabkommen sollen bisherige Freihandelsabkommen ersetzen.
Als einzige Partei nennt die Linke „Ernährungssouveränität“ von Partnerländern als Ziel, das Deutschland und die EU „sicherstellen“ müssten. Zudem müsse Landraub durch Großkonzerne verhindert werden, lokale Produzenten sollten vor Preisdumping und Verdrängung geschützt und die Spekulation mit Nahrungsmitteln sollte verboten werden. Zur Migrationsfrage heißt es: „Statt weiter systematisch Fluchtursachen wie Waffen, Umwelt- und Klimazerstörung sowie Armut zu exportieren, wollen wir globale Ungerechtigkeiten überwinden, Demokratie und soziale Bewegungen von unten unterstützen und Menschen in Not effektiv helfen.“
Mit einer deutlichen Abkehr von der bisherigen deutschen Entwicklungspolitik wirbt die AfD im Wahlkampf [MZ6] und verlangt eine Überprüfung aller laufenden Projekte und einen stärkeren Fokus auf nationale außenpolitische Interessen. So soll Entwicklungshilfe unter anderem an die Bereitschaft von Regierungen geknüpft werden, bei der Rückführung von Migranten oder der Bekämpfung von grenzüberschreitender Kriminalität und Terrorismus zu kooperieren. Die Partei plant zudem, die Zusammenarbeit mit NGOs in der Entwicklungspolitik zu beenden.
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