Zwischen Klimawandel und Bergbau: Chiles Gletscher sind in Gefahr

Die UN haben 2025 zum Jahr der Gletscher erklärt. In vielen Regionen gehen die einzigartigen Naturräume zurück, die zugleich wichtige Süßwasserspeicher sind. In den chilenischen Anden ist laut einer Studie auch der Bergbau dafür verantwortlich.

Santiago de Chile - Er besteht nur noch aus einem Bruchteil seiner ursprünglichen Masse, das zeigen Bilder: Der Gletscher Juncal thront auf knapp 6.000 Metern Höhe in den Gipfeln der chilenischen Anden. Von dort gleitet er hinab in das Tal des gleichnamigen Flusses Rio Juncal, der später zum Aconcagua wird. Das Schmelzwasser sorgt dafür, dass der Fluss über die fast sieben Monate andauernde Trockenzeit im Sommer fortlaufend Wasser mit sich trägt und Städte wie Valparaíso genügend Trinkwasser erhalten.

Auf der ganzen Welt haben Gletscher eine zentrale Bedeutung für die Umwelt und die Wasserversorgung und sind wichtig für Milliarden Menschen, wie die Vereinten Nationen betonen. Sie speicherten einen erheblichen Anteil des Süßwassers auf der Welt. Doch die Gletscher gehen zurück. Daher haben die UN das Jahr 2025 zum „Internationalen Jahr der Erhaltung der Gletscher“ erklärt.

„Über die letzten Jahre hat sich der Juncal enorm zurückgezogen“, berichtet die Chilenin Catherine Kenrick. Sie lebt in der Hauptstadt Santiago und hat im Auftrag ihrer Familie vor 20 Jahren begonnen, aus deren Landbesitz rund um den Gletscher ein privates Naturschutzgebiet zu machen, das mit 14.000 Hektar so groß wie Mannheim ist. Doch das Projekt ist in Gefahr. Neben dem Klimawandel bedrohe der Bergbau die fast unberührte Natur.

Auch Patricio Gómez ist besorgt. Er leitet seit mehr als 30 Jahren eine kleine Trinkwassergenossenschaft in der Ortschaft Las Cabras im Tal des Aconcaguas. Er sagt: „Uns geht das Wasser aus.“ Der sich sinkende Wasserspiegel hat die Genossenschaft dazu gezwungen, immer tiefere Brunnen zu graben, mittlerweile sind es 185 Meter. Jahr für Jahr wird es trockener, weil der Regen immer weiter nachlasse, die Landwirtschaft zu viel Wasser verbrauche und immer weniger Schmelzwasser vom Gletscher komme.

Das Flusstal war einst die Kornkammer Chiles. Später baute man hier Wein, Zwiebel, Knoblauch und Melonen an. Seit einigen Jahren sind Avocadoplantagen hinzugekommen, die hauptsächlich für den Export produzieren, unter anderem auch nach Deutschland. Trotz monatelanger Trockenheit im Sommer brachte der Aconcagua über die vergangenen Jahrhunderte stets genügend Wasser mit sich.

Dieses System ist nun bedroht. Hintergrund ist der Rückgang des Juncal-Gletschers - und der wird wohl durch den Bergbau in der Region beschleunigt: Im Jahr 2022 bewies eine chilenische Gruppe aus Forschenden am Beispiel des Olivares-Alpha-Gletschers, dass der Bergbau einen erheblichen Anteil am raschen Schmelzen der Gletscher im Zentrum des Landes hat. Die Abgase des Bergbaus, der aufgewirbelte Staub und teilweise auch die direkte Zerstörung seien für über 80 Prozent des Gletscherschwundes verantwortlich, fanden die Wissenschaftler heraus. Staub und Abgase legen sich auf die weiße Gletscheroberfläche, die dadurch dunkel wird. Dadurch reflektiert der Gletscher weniger Sonneneinstrahlung und erwärmt sich stärker.

Catherine Kenrick erzählt, dass auch ihr Großvater eigentlich vorhatte, im Tal Bergbau zu betreiben, das aber nie umsetzte. Stattdessen breitete sich die Förderung von Bodenschätzen in den Nachbartälern aus. Auf der anderen Seite der Bergketten liegen zwei der größten Kupferminen Chiles, die zusammen über 500.000 Tonnen Kupferkonzentrat pro Jahr aus dem Inneren der Erde holen. Das orangefarbene Metall verschafft Chile relativen Wohlstand. Etwa 30 Prozent der Staatseinnahmen kommen aus dem Abbau natürlicher Rohstoffe, darunter vor allem von Kupfer.

„Seit Jahren schläft im Parlament ein Gesetz zum Schutz von Gletschern“, kritisiert Kenrick. „Dabei sollten sich alle politischen Akteure der Bedeutung von Gletschern zur Wasserversorgung bewusst sein.“ Der Staat setze sich zu wenig für den Schutz der Natur ein. „Naturschutz darf aber nicht von Privaten abhängen“, meint sie.

Auch der im Tal lebende Mauricio Montenegro sieht die Lage kritisch: „Überall hier sind neue Minen geplant, dabei haben die bisherigen schon unser Wasser verschmutzt und die Gletscher beschädigt.“ Er will gerne die Tierzucht in Familientradition weiterführen, aber er hat Angst, dass das bald nicht mehr möglich ist. „Die Unternehmen kommen, machen alles kaputt und ziehen weiter“, kritisiert er. Gegen den Bergbau an sich sei er nicht, doch das Ausmaß und die zu laschen Umweltbestimmungen sind für ihn das Problem.

Auch auf dem Land der Kenricks wollte in den vergangenen Jahren ein US-amerikanisches Bergbauunternehmen aktiv werden. Das ist möglich, da in Chile alles unter der Erde dem Staat gehört und dieser Konzessionen zum Abbau vergeben kann, selbst wenn die Landeigentümer sich dagegen stellen.

Im Fall des Juncals konnte das Projekt aufgrund wochenlanger Proteste aber verhindert werden. Die Regionalregierung setzte daraufhin sogar eine Kommission aus Parlamentariern, Bürgermeistern und Interessierten zusammen, die über den Schutz der Gletscher am oberen Flusslauf beraten soll. Das hat auch der 80-jährigen Kenrick Mut gegeben: „Wenn mich in meinem aktuellen Alter etwas positiv stimmt, dann sind es die jüngeren Generationen, die für die Gletscher einstehen.“

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