Noch schnell ein Exportverbot für hochgefährliche Pestizide?

Ein Bauer in Ruanda versprüht Pestizide auf einem Feld.
Godong/ Universal Images Group via Getty Images
Ein Bauer im Norden von Ruanda versprüht Pestizide auf seinem Feld.
Berlin
Nach dem Ausscheiden der FDP aus der Regierung sehen manche Grüne und Umweltaktivisten die Zeit gekommen, die Ausfuhr hochgiftiger Pestizide zu verbieten. Unter Fachleuten gehen die Meinungen allerdings auseinander, wie nötig und wie sinnvoll das ist.

Die Ampelregierung hatte sich im Koalitionsvertrag verpflichtet, deutsche Ausfuhren besonders gesundheitsgefährdender Pestizide zu verbieten. Im Mai 2023 legte das Landwirtschaftsministerium (BMEL) einen Verordnungsentwurf dafür vor, doch der liberale Partner stellte sich quer. Nach dem Rauswurf der FDP hoffen die Grünen im Bundestag und das Inkota-Netzwerk nun auf einen Kabinettsbeschluss und eine Verordnung auf Grundlage des Pflanzenschutzgesetzes noch vor den Neuwahlen im Februar.

Der grüne Obmann im Agrarausschuss, Karl Bär, früher Umweltaktivist und seit 2021 im Bundestag, würde einen solchen Beschluss befürworten. „So ein Regierungsbeschluss ist etwas Handfestes, auch wenn der Bundesrat noch zustimmen muss.“ Bär setzt dabei auch auf Unterstützung von Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD). 

Bärs Parteikollege Agrarminister Cem Özdemir hält sich allerdings bedeckt, ob sein Haus derzeit einen Regierungsbeschluss für ein deutsches Exportverbot vorantreiben würde. Der Verordnungsentwurf befinde sich in der regierungsinternen Abstimmung, sagt eine Sprecherin. Zu weiteren Details oder einem Zeitplan könnten keine Informationen gegeben werden. Das BMEL stehe weiter zum Ansatz der EU-Kommission, die ein Verbot des Exports von in der EU nicht genehmigten Chemikalien angestoßen hatte. 

Das Landwirtschaftsministerium hat einiges getan

Im Sommer hatte das Inkota-Netzwerk für Welternährung und Globale Landwirtschaft gemeinsam mit dem Pestizid-Aktionsnetzwerk (PAN) und dem Hilfswerk Misereor einen von 150.000 Unterstützern unterzeichneten Appell an das BMEL übergeben, den Giftexport zu verbieten. Im globalen Süden gefährde der Einsatz dieser teils hochgefährlichen Pestizide Landwirte, Landarbeiter, die ländliche Bevölkerung und die Umwelt. 

Das BMEL habe in der Vergangenheit einiges getan, sagt Silke Bollmohr von Inkota. Aber angesichts der FDP-Blockade sei das Vorhaben in der Prioritätenliste nach unten gerutscht. Umwelt- und Entwicklungsorganisationen wollten sich nun mit erhöhtem Druck dafür einsetzen, dass das Exportverbot bis zum Wahltermin am 23. Februar 2025 zumindest durch das Kabinett komme. Das Thema müsse mit Blick auf die nächste Legislaturperiode auf der Tagesordnung gehalten werden. 

Die Umwelttoxikologin Bollmohr war als Expertin zu einer Anhörung Mitte November von Sachverständigen im Bundestag geladen, bei der drei von fünf Fachleuten für ein Verbot und zwei dagegen plädierten. Der Ausschuss für Entwicklungspolitik (AWZ) wollte der Frage nachgehen, ob Importländern im außereuropäischen Ausland mit einem Ausfuhrverbot geholfen wäre – und wer verantwortlich für eine möglichst sachgemäße und sichere Verwendung der Chemikalien ist. Die Politik stehe vor der doppelten Aufgabe, eine ausreichende globale Lebensmittelproduktion und zugleich ökologische Nachhaltigkeit zu sichern, hieß es im Konzept für die Anhörung

Laut der Heinrich-Böll-Stiftung ist der weltweite Einsatz von Pflanzenschutzmitteln von 1990 bis 2017 um fast 81 Prozent gestiegen, in Asien um 97 Prozent, in Südamerika gar um 484 Prozent. Fünf Agrarchemiekonzerne kontrollieren laut der Schweizer Organisation Public Eye etwa 70 Prozent des Weltmarktes für chemisch Pflanzenschutzmittel; im Jahr 2018 erzielten sie mehr als ein Drittel ihrer Umsätze mit Wirkstoffen, die das Pestizid-Aktionsnetzwerk als hochgefährlich einstuft. Deutschland hat laut PAN 2021 etwa 8500 Tonnen solcher in der EU nicht zugelassener Wirkstoffe in fertig zubereiteten Pestiziden exportiert sowie 37.500 Tonnen in anderen Mischungen oder in Reinform. 

Krebserregend, erbgutschädigend, reproduktionstoxisch

PAN-Experte Peter Clausing betonte bei der AWZ-Anhörung, die Wirkstoffe seien allesamt entweder als krebserregend, erbgutschädigend oder reproduktionstoxisch eingestuft. In Ländern des Südens komme es bei Landarbeitern häufig zu Pestizidvergiftungen. Deutsche Exporte zu unterbinden wäre Clausing zufolge ein erster wichtiger Schritt zu einem globalen Verbot von hochgefährlichen Pestiziden, für das sich auch die UN-Umweltversammlung UNEA im Mai 2024 ausgesprochen habe.

Frank Gemmer vom Industrieverband Agrar verwies bei der Anhörung hingegen auf den Nutzen von Pflanzenschutzmitteln zur Reduzierung von Verlusten vor der Ernte. Zudem würden die Stoffe nur mit Billigung der Importländer exportiert. „Wir werfen das nicht mit Fallschirmen ab“, sagte Gemmer. Die Behörden dort würden umfassend informiert, wie die Chemikalien sicher gelagert, transportiert, genutzt und entsorgt werden könnten. Ein Großteil der Exporte gehe in Länder mit strengen Zulassungsverfahren wie die USA, Japan und Kanada sowie in Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien. Nur 0,5 Prozent der Gesamtmenge gehe in Entwicklungsländer. Selbst wenn deutsche Ausfuhren hochgefährlicher Wirkstoffe verboten würden, könnten sie von anderswo bezogen werden, so Gemmer, etwa aus Asien, wo es eine starke Generikaproduktion gebe. „Die Wirkstoffe sind am Markt, ob wir sie verbieten oder nicht.“ 

Silke Bollmohr von Inkota verwies bei der Anhörung hingegen auf zunehmende Widerstände in der ländlichen Bevölkerung und von NGOs in Importländern wie Kenia. Regulierung und Kontrollen seien in ärmeren Ländern unterfinanziert, Gesetze veraltet. Für die brasilianische Kampagne gegen Pestizide appellierte Alan Tygel schließlich an den globalen Norden, die nachlässigen Praktiken der starken Agrar-Lobby im globalen Süden durch Exportverbote zu stoppen. In seinem Land, dem größten Verbraucher von Pestiziden weltweit, seien 2019 offiziell knapp 8400 Vergiftungsfälle gezählt worden. Deutschland und deutschen Herstellern warf Tygel vor, doppelte Standards anzulegen, das sei unmoralisch.

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