Der DAC ist das wichtigste Gremium der in der OECD versammelten Geberländer. Er formuliert Konzepte und Leitlinien für die Entwicklungshilfe seiner Mitgliedsländer und lässt sie in Gutachten (Peer Reviews) gegenseitig ihre Hilfe bewerten. Der Vorsitzende wird von den Mitgliedern gewählt; in der Regel dauert eine Amtszeit vier bis sechs Jahre, die Kosten übernimmt das Land, das den Vorsitzenden stellt.
Eckhard Deutscher, der vorher deutscher Exekutivdirektor bei der Weltbank war, ist seit zweieinhalb Jahren im Amt. Die Tätigkeit Deutschers als DAC-Chef laufe „regulär“ aus, sagte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage von „welt-sichten“. Deutscher habe im Gespräch bestätigt, dass die von ihm angestoßenen Reformen im Ausschuss bis zum Jahresende zu schaffen seien. Die Abberufung sei keine Kritik an seiner Arbeit. Deutscher sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) allerdings: „Die Abberufung geschah gegen meinen Willen.“
Laut „Frankfurter Rundschau“ hat das Ministerium später bestätigt, eine Verlängerung der Amtszeit um mindestens ein Jahr wäre möglich gewesen. Deutscher hat die so genannte Paris-Agenda für mehr Wirksamkeit der Entwicklungshilfe vorangetrieben. Ende 2011 soll in der koreanischen Hauptstadt Seoul eine umfassende Evaluation der bisherigen Bemühungen vorgelegt werden, und Deutscher hat wiederholt erklärt, dass er dieses Vorhaben gern als DAC-Chef abschließen würde.
Ferner war Deutscher bemüht, dem Ausschuss ein politischeres Profil zu geben; vor einem Jahr hatte der DAC ein Reformpapier dazu verabschiedet (siehe welt-sichten 7/2009, S. 48). Danach soll sich der Ausschuss künftig nicht mehr nur mit Entwicklungshilfe befassen, sondern sich beispielsweise auch um die Herstellung entwicklungspolitischer Kohärenz in der Politik der OECD-Länder sowie um öffentliche Güter wie Klimaschutz bemühen. Das Programm entspricht weitgehend dem Verständnis von Entwicklungspolitik als „globaler Strukturpolitik“, das der Arbeit von Heidemarie Wieczorek-Zeul zugrunde gelegen hat, der Vorgängerin von Entwicklungsminister Dirk Niebel. Oppositionspolitiker wie der entwicklungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Sascha Raabe bezeichneten die Abberufung Deutschers als „klar parteipolitisch motiviert“.
Kommentar Leichtfertiger Verzicht Entwicklungsminister Dirk Niebel macht einmal mehr mit einer Personalentscheidung von sich reden: Zum Jahresende will er den Vorsitzenden des OECD-Entwicklungsausschusses, Eckhard Deutscher, abberufen. Das habe nichts mit dessen Arbeit oder Person zu tun, heißt es offiziell. Aber das ist wenig glaubwürdig. Deutscher steht für einen Kurs weg von kleinteiliger Entwicklungshilfe und hin zu einer breiter angelegten multilateralen Entwicklungspolitik, die darauf zielt, globale Strukturen zu ändern. Anders seien die entwicklungspolitischen Aufgaben heute nicht mehr zu bewältigen, heißt es in einem unter seiner Leitung entstandenen Reformpapier des DAC. Dieser Ansatz ist ziemlich genau das Gegenteil von dem, was Niebel will. Dessen Programm lautet: keine „Nebenaußenpolitik“, keine globale Strukturpolitik, weniger Multilateralismus, mehr deutsche Flagge zeigen. Es spricht also einiges dafür, dass der Minister Eckhard Deutscher nicht mehr als Chef des wichtigsten Geber-Gremiums haben will – zumal er auch noch das gleiche Parteibuch hat wie Niebels Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul.
Mit der Abberufung Deutschers verzichtet die Bundesregierung leichtfertig auf einen einflussreichen Posten in der internationalen Entwicklungspolitik. Zwar will Berlin dem Vernehmen nach einen Deutschen als Leiter des Development Centre der OECD unterbringen. Aber zum einen ist fraglich, ob das gelingt. Zum anderen ist das ein rein administrativer Posten ohne die Möglichkeiten, politisch Einfluss zu nehmen, wie sie die DAC-Leitung bietet.