Was ist die genaue Aufgabe der sechs Männer und sechs Frauen, die demnächst als MissionarInnen nach Tansania, Botswana und Ruanda ausreisen?
Sie sollen das Evangelium verkündigen, und zwar den Menschen in den dortigen VEM-Mitgliedskirchen.
Das sind doch aber schon alles Christen?
Ja, natürlich. Aber asiatische Christen bringen andere Perspektiven mit, die für afrikanische Christen hilfreich sein können wie zum Beispiel die Erfahrungen im Dialog mit dem Islam. Christen in Indonesien sind eine kleine Minderheit, die ständig mit Muslimen in Kontakt sind, im Guten wie im Schlechten. In Afrika dagegen sind Christen oft in der Mehrheit, doch der Anteil der Muslime wird vielerorts größer. Fähigkeiten zum Dialog sind da wichtig.
Ist das Programm zeitlich begrenzt?
Es ist erst einmal auf drei Jahre angelegt. Wir hoffen aber, dass die zwölf Missionare und Missionarinnen danach verlängern. Gerade am Anfang werden sie einige Zeit brauchen, um überhaupt die lokale Sprache und die Kultur kennenzulernen.
Die Missionare und Missionarinnen stammen aus Ihrer Heimatkirche in Nordsumatra, der Huria Kristen Batak Protestan (HKBP). Können Sie etwas über ihren Hintergrund und ihre Motivation sagen?
Es sind vor allem junge Pfarrerinnen und Pfarrer, zum Teil ganz frisch ordiniert. Sie wollen bei dem Projekt mitmachen, weil sie damit ihre eigene Dankbarkeit der Mission gegenüber ausdrücken wollen. Die HKBP würde es ja nicht geben, wenn nicht im 19. Jahrhundert Missionare der Rheinischen Mission nach Indonesien gegangen wären, um das Evangelium zu verkünden und soziale Dienste und Bildungseinrichtungen aufzubauen.
Warum sprechen Sie von Missionaren und nicht von Ökumenischen Mitarbeitenden, wie es in anderen Missionswerken üblich ist, wenn es zu einem Personalaustausch zwischen Partnerkirchen kommt?
Es handelt sich hier nicht um einen Mitarbeiteraustausch zwischen zwei Kirchen. Die HKBP hat bewusst darum gebeten, in den afrikanischen VEM-Mitgliedskirchen missionarisch tätig werden zu dürfen, als Teil des Missionsauftrags Jesu an seine Nachfolger. Die HKBP zahlt fast alle Kosten für dieses Programm. Die afrikanischen Kirchen übernehmen nur die Mietkosten und bieten Begleitungsarbeit an.
Dem Thema Mission haftet ein schwieriger Ruf an. Die unheilvolle Verquickung von westlicher Mission und europäischem Kolonialismus im 19. und frühen 20. Jahrhundert ist Teil einer oft schmerzhaften Aufarbeitung innerhalb der Nachfolgeeinrichtungen der damaligen Missionsgesellschaften. Auch die VEM hat ein nicht ganz unbelastetes Erbe. Wie ist es nun zu diesem Missionsprojekt gekommen und welche Diskussionen hat es im Vorfeld gegeben?
Wir nehmen das Thema Mission sehr ernst und kennen die dunkle Seite unserer Geschichte. Demnächst veranstalten wir wieder eine Konferenz zum Thema Mission und Kolonialismus, bei der wir verstehen wollen, wie es zu den Konflikten kommen konnte. Die VEM ist eine weltweite Kirchengemeinschaft, und die Kirchen, die aus der Mission entstanden sind, haben oft ein sehr gutes Verhältnis zu ihrer Geschichte. Ohne die Missionare hätte es in Indonesien zum Beispiel keine Sklavenbefreiung gegeben und der Kampf gegen Armut würde anders aussehen. Viele sozialen Dienste gäbe es nicht.
Mit welchen Herausforderungen rechnen Sie bei diesem Süd-Süd-Missionsprojekt?
Die jungen Leute haben bisher keine Auslandserfahrung. Natürlich stellen eine neue Kultur, eine neue Sprache und manchmal auch das andere Essen Herausforderungen in sich dar. Sie haben sich aber sechs Monate lang intensiv auf ihren Einsatz vorbereitet. Der Leiter unserer Regionalbüros in Afrika und auch der Afrika-Referent der VEM haben sich mit ihnen zwei Wochen lang zusammengesetzt und mit ihnen über den Alltag, Sitten und Gebräuche und vieles andere in Afrika gesprochen.
Plant die VEM, dieses Projekt irgendwann auszuweiten?
Es gibt bereits erste Ideen von Kirchen im globalen Süden, Missionare nach Europa zu schicken. Das Evangelium muss überall immer wieder neu verkündet werden, auch in Gesellschaften mit einer langen christlichen Tradition. Innerhalb der VEM ist dies unsere neue Perspektive auf Mission.
Was soll sich in Tansania, Botswana und Ruanda geändert haben, wenn die Missionare in einigen Jahren wieder zurück in ihre Heimatkirche in Indonesien gehen?
Wir führen ein solches Projekt zum ersten Mal durch und wissen nicht, ob es erfolgreich sein wird oder nicht. Aber auch die Missionare im 19. und 20. Jahrhundert wussten nicht, was sie bewirken würden. Wir glauben, dass interkultureller Austausch für alle gut ist, weil alle voneinander lernen können. Die zwölf MissionarInnen werden in Afrika zum Beispiel erfahren, wie man als Kirche mit Rassismus, Folgen des Kolonialismus, mit Armut und Diskriminierung umgehen kann.
Das Gespräch führte Katja Dorothea Buck.
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