170 Schülerinnen und Schüler aus ganz Österreich haben dieses Jahr ihre vorwissenschaftlichen Arbeiten (VWA) beziehungsweise Diplomarbeiten an berufsbildenden Schulen für den sogenannten C3 Award eingereicht. Die VWA sowie die Diplomarbeit ist ein Bestandteil der Matura, also des österreichischen Abiturs. Die Themen reichten vom Problem globaler Fast Fashion über konstruktiven Journalismus in Berichten über Migration und Greenwashing von Unternehmen bis hin zur Bedeutung des politischen Aktivismus indigener Bevölkerungsgruppen in Lateinamerika für den Umwelt- und Klimaschutz. Ende Mai fand die Preisverleihung in der C3-Bibliothek in Wien statt, der größten wissenschaftlichen Bibliothek Österreichs zu internationaler Entwicklungspolitik. Die Bibliothek unterstützt Schülerinnen und Schüler bei der Themensuche, Forschungsfragestellungen und der Suche nach passender Literatur.
Seit 2016 verleihen die fünf entwicklungspolitischen Organisationen ÖFSE (Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung), BAOBAB, Frauen*solidarität, Paulo Freire Zentrum und Mattersburger Kreis für Entwicklungspolitik den C3 Award für die zehn besten VWAs zu globalen Themen, die einen entwicklungspolitischen Aspekt behandeln. „Wir möchten dadurch das Engagement im Bereich globaler nachhaltiger Entwicklung von Schülerinnen und Schülern und Lehrerinnen und Lehrern sichtbar machen und würdigen“, sagt Hanna Reiner von der ÖFSE.
Auswirkungen der Kolonialzeit
Viele Jugendliche knüpfen in den Arbeiten an ihrem persönlichen Hintergrund und Alltag an. So etwa Marlene Radler, die über die Auswirkungen der Kolonialzeit auf Indien geschrieben hat. „Meine Familie kommt ursprünglich aus Goa, das zunächst von portugiesischen und dann von britischen Einflüssen geprägt wurde“, erzählt die Oberösterreicherin. Die Bevölkerung in Goa sei unter der Kolonialherrschaft zum Christentum zwangskonvertiert und ihrer indischen Identität beraubt worden. „Meine Familie in Indien trägt heute noch einen portugiesischen Nachnamen und spricht Englisch“, berichtet Radler.
Drei Arbeiten wurden als besonders herausragend prämiert. Dazu zählt jene von Emina Serdarević, die nach dem Zusammenhang zwischen der Klimakrise und dem globalen kapitalistischen Wirtschaftssystem gefragt und sich mit Lösungsansätzen und Alternativen wie dem Green New Deal und der Gemeinwohl- und Postwachstumsökonomie beschäftigt hat. „Wir haben das Pariser Klimaabkommen, in dem alle Ziele festgeschrieben sind, mit denen wir die Krise bewältigen können“, sagt Serdarević. Die Zielvorgaben seien da, doch der politische Wille fehle. Es brauche Perspektiven, so die Kärntnerin, „die Zukunft als so lebenswert anzusehen, dass wir Annehmlichkeiten der Jetzt-Zeit aufgeben können“.
Mit dem Klima haben sich auch Katharina Krammer, Jaris Povazay und Niklas Weinwurm in ihrer gemeinsamen Arbeit zu den sozioökonomischen Auswirkungen von Wasserknappheit, Flächenfraß und Artensterben beschäftigt. Katharina Krammer unterstrich bei der Preisverleihung, wie wichtig gesetzliche Rahmenbedingungen und verbindliche Ziele seien. Zuerst müsse immer die Wasserversorgung der Bevölkerung sichergestellt werden, erst danach sollten Unternehmen Wasser für ihre Geschäfte nutzen können.
Umgang mit „Queerness“
Die dritte herausragende Arbeit stammt von Adeline Malindi Oyugi, die den Umgang mit „Queerness“ in Afrika aus historischer und aktueller Perspektive untersucht hat. Sie ist der Frage nachgegangen, welche Einflüsse das koloniale Erbe und die Religion bei LGBTIQ-feindlichen Bestimmungen spielen, und hat dazu den kenianischen Dachverband für Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen- und Queer-Organisationen interviewt. Trotz Fortschritten würden queere Afrikanerinnen und Afrikaner in vielen Ländern weiterhin stigmatisiert und diskriminiert, sowohl gesellschaftlich als auch rechtlich. „Wir sollten alle offener bezüglich anderer Lebensrealitäten sein“, wünscht sich die Preisträgerin.
Nach Absolvierung der Forschungsarbeit geht es für die Schülerinnen und Schüler nun zur Reifeprüfung. „Wir versuchen, mit allen, die ausgezeichnet wurden, in Kontakt zu bleiben“, sagt ÖFSE-Mitarbeiterin Hanna Reiner. Einige würden nach der Schule einen entwicklungspolitischen Pfad einschlagen, etwa bei der Wahl der Studienrichtung oder später am Arbeitsmarkt.
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