Wachsender Rückhalt für eine globale Milliardärssteuer

Brasiliens Finanzminister Haddad hält eine Rede.
Celal Gunes/Anadolu via Getty Images
Brasiliens Finanzminister Fernando Haddad erläutert auf der Weltbank-Jahrestagung im April in Washington seine Vorschläge für eine stärkere Besteuerung von Milliardären weltweit.
Berlin
Die Forderung nach einer Reichensteuer gewinnt international an Fahrt, auch Entwicklungsministerin Svenja Schulze hat sich unlängst prominent dafür ausgesprochen. Über die Erfolgsaussichten sind sich Fachleute uneins.

Gemeinsam mit vier Wirtschafts- und Finanzministern aus Spanien, Südafrika und Brasilien rief Schulze die internationale Gemeinschaft auf, der Ungleichheit weltweit mit einer globalen Steuer auf Milliardenvermögen zu Leibe zu rücken. Brasilien will seinen G20-Vorsitz dazu nutzen, eine gemeinsame Position zwischen den 20 größten Industrie- und Schwellenländern zu einer solchen Steuer herzustellen. 

Zwar hat sich die Ungleichheit zwischen Ländern verringert, doch innerhalb der meisten Länder ist sie über die vergangenen zwanzig Jahre merklich gestiegen, heißt es in dem Appell. Die Kluft der Einkommen zwischen den weltweit reichsten zehn Prozent der Bevölkerung und den ärmsten 50 Prozent habe sich fast verdoppelt. „Es ist an der Zeit, dass die internationale Gemeinschaft mit dem Kampf gegen Ungleichheit Ernst macht“, da Wirtschaftswachstum allein diese nicht beseitige, heißt es in dem Appell. 

Die Steuerpolitik sei eines der wirkungsvollsten Instrumente, um mehr Gleichheit zu fördern, werben die Autoren. Progressiv ausgestaltet könne sie sicherstellen, dass alle Menschen ihren finanziellen Möglichkeiten entsprechend zum Gemeinwohl beitragen – und sie erhöhe staatliche Spielräume für soziale Sicherung, Bildung und Klimaschutz. Derzeit führten Steuerprivilegien aber dazu, dass Superreiche ihre Einkommensteuern minimieren können. 

3000 Milliardäre weltweit

Als Grundlage für die Beratungen hatte Brasilien den Wirtschaftsprofessor und Leiter der Denkfabrik EU Tax Observatory, Gabriel Zucman, mit einer Machbarkeitsstudie über die Besteuerung von Superreichen beauftragt. Weltweit gibt es derzeit ungefähr 3000 Milliardäre. So entstand der Vorschlag einer globalen Mindeststeuer auf Einzelvermögen von zwei Prozent, die jährlich staatliche Einnahmen von insgesamt 250 Milliarden Dollar schaffen könnte. „Sie würde nicht für Milliardäre gelten, die bereits einen angemessenen Beitrag bei der Einkommensteuer entrichten“, heißt es einschränkend.

Über die Chancen einer zwischen den Staaten abgestimmten Einführung einer Milliardärssteuer sind internationale Fachleute uneins. Sinn macht sie nur, wenn sie möglichst flächendeckend erhoben würde. Brasilien schwebt ein Modell nach dem Vorbild der für 140 Länder vereinbarten Mindeststeuer für global tätige Konzerne von 15 Prozent vor, das unter Federführung der Industrieländerorganisation OECD vereinbart wurde. Pascal Saint-Amans vom Brüsseler Thinktank Bruegel, der diese Verhandlungen als OECD-Direktor begleitet hat, äußerte sich der Zeitung „El Pais“ zufolge aber skeptisch über kurzfristige Erfolgsaussichten einer Milliardärssteuer. Zuvor müsste der globale Steuerwettlauf nach unten beendet werden, denn Vermögende seien mobiler als der Rest der Bevölkerung. 

Dass Vermögen verlagert werden können, um einer Reichensteuer zu entgehen, ist ein häufiger Einwand. Eine Studie des Netzwerks Steuergerechtigkeit, die für die gewerkschaftsnahe Hans Böckler Stiftung Ende 2023 typische Vorbehalte untersucht hat, erwartet hingegen keine verstärkte legale Steuerflucht aus Deutschland als Reaktion auf höhere Steuern –unter anderem weil die sogenannte Wegzugsbesteuerung einen Umzug mittlerweile unattraktiver macht. Zudem sei die Verschiebung großer Vermögen ins Ausland dank verschiedener Reformen insgesamt schwieriger geworden, so die Studienverantwortlichen Julia Jirmann und Christoph Trautvetter. 

Deutsche Milliardäre besitzen 1,4 Billionen Euro

Die Autoren taxieren die deutschen Milliardenvermögen auf mindestens 1,4 Billionen Euro, was gut einem Drittel des jährlichen deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspreche. Die Datenlage zu sehr großen Vermögen gilt jedoch als lückenhaft. Seit der Aussetzung der Vermögenssteuer in den 1990er-Jahren haben die Finanzbehörden keinen systematischen Überblick mehr. 

Kaum ein Land besteuere Arbeit so hoch und Kapital so niedrig wie die Bundesrepublik, schreibt die Politikwissenschaftlerin Sarah Ganter von der Friedrich-Ebert-Stiftung in einem Beitrag für das Onlinemagazin „IPG“. Progressive Politik tue gut daran, sich an die Spitze der Bewegung für mehr Verteilungsgerechtigkeit zu setzen, schreibt die Steuerexpertin. Die gesellschaftlichen Mehrheiten dafür seien längst vorhanden. Gleichwohl komme das Projekt bei Neoliberalen nicht gut an. „Sie halten an der Erzählung fest, dass niedrige Steuern für Hochvermögende Wirtschaftswachstum befördern, sodass am Ende alle etwas davon haben. Empirische Untersuchungen zeigen aber das Gegenteil.“

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) schließt eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer aus – und lehnt auch Brasiliens Initiative ab. Sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire hingegen hat sich am Rande der IWF-Frühjahrstagung mit ihr solidarisiert und will die Idee in der EU voranbringen. 

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