Zu wenig gegen ausbeuterische Kinderarbeit

Ziaul Haque Oisharjh/SOPA Images/LightRocket via Getty Images
Ein Junge arbeitet in einer Textilfabrik in Dhaka, Bangladesch. Die Stadt München kann Kinderarbeit bei den Produkten, die sie einkauft, nach eigenem Bekunden inzwischen ausschließen.
Global Lokal
Kommunen wollen mit einem fairen Einkauf soziale und ökologische Standards auf dem Markt stärken. Sie nutzen ihr Potential nicht genügend. Dabei zeigen Initiativen, wie es laufen müsste.

Ob München wirklich die erste deutsche Kommune war, die sich einem fairen Einkauf verpflichtet hat, lässt sich nicht mehr eindeutig klären. Im Jahr 2002 beschloss die bayerische Landeshauptstadt auf Anregung zivilgesellschaftlicher Initiativen, keine Produkte mehr einzukaufen, bei deren Herstellung ausbeuterische Kinderarbeit im Spiel ist. Auf vielen Baumwoll- und Kakaoplantagen, in Steinbrüchen und in Fabriken im globalen Süden werden Kinder beschäftigt. An deren Ausbeutung wollten sich die Münchner nicht mehr beteiligen. 

Daraus ist eine Bewegung entstanden, im öffentlichen Einkauf von Städten und Gemeinden – im Fachjargon „Beschaffung“ – soziale und ökologische Standards zu beachten. Rund 300 Kommunen in Deutschland haben seitdem solche Beschlüsse gefasst, viele fordern für den städtischen Einkauf mehr als den Ausschluss von Kinderarbeit, nämlich die Einhaltung von Arbeitsrechten und Sozialstandards, wie sie in den Kernnormen der internationalen Arbeitsorganisation ILO festgeschrieben sind. 

20 Jahre später handelt es sich bei den engagierten Städten immer noch um meine Minderheit unter den deutschen Kommunen, auch wenn Metropolen wie Köln, Düsseldorf, Dortmund oder Berlin darunter sind. Die öffentliche Hand in Deutschland habe mit ihren rund 500 Milliarden Euro, die sie pro Jahr geschätzt für den Einkauf von Waren und Dienstleistungen ausgibt, eine wichtige Marktmacht, sagen Aktivisten. Doch bis jetzt spielt sie diese noch nicht wirklich aus. 

Verpflichtende Siegel

Ausbeuterische Kinderarbeit bei der Produktion von Waren, die die Stadt München einkauft, könne sie heute ausschließen, sagt Sylvia Baringer von der Fachstelle Eine Welt der bayerischen Landeshauptstadt. Die Hersteller müssten eine entsprechende Eigenerklärung unterschreiben und, falls vorhanden, Siegel oder gleichwertige Nachweise anführen, etwa für aus Afrika oder Lateinamerika importierte Blumen oder Natursteine. Bei Sportbällen für die Münchner Schulen sind Siegel verpflichtend vorgesehen. Bei IT-Produkten verlange man das schwedische TCO-Siegel, das IT-Hardware entlang der gesamten Lieferkette zertifiziert, sagt Baringer. Ob das für alle neu gekauften IT-Produkte gilt, konnte Baringer allerdings nicht sagen. Bisher arbeiten nur einige Hersteller mit dem Siegel für ihre Geräte. 

Dortmund hat 2007, also fünf Jahre nach München, einen Beschluss zur fairen Beschaffung gefasst und gehört ebenfalls zu den Vorreitern mit Pilotprojekten zum Beispiel bei der fairen Arbeitsbekleidung. Aiko Wichmann, Chef des Vergabeamtes, kommt aber zu einer anderen Einschätzung als Baringer in München. Er könne nicht garantieren, dass Dortmund keine Waren mehr bezieht, für deren Herstellung Kinder ausgebeutet wurden. Denn eine Garantie bietet nur ein Siegel oder eine Zertifizierung. Diese gebe nicht immer, etwa für Spezial- und Funktionskleidung. Kaufen müsse die Stadt die Produkte wie zum Beispiel Warnwesten trotzdem.

Wichmanns Fazit nach mehr als 15 Jahren des Engagements ist ernüchternd: Es sei schwierig, dass Kommunen Standards durchsetzen. Es brauche eine klare politische Strategie auf Länder-, Bundes- und EU-Ebene. Bei den Bundesländern tut sich aber – abgesehen von Stadtstaaten wie Bremen oder Berlin – wenig; die fairen Kaffees und Tees in manchen Ministerien fallen nicht ins Gewicht. Nur Berlin, Bremen und Schleswig-Holstein haben Kompetenzstellen für die nachhaltige Beschaffung eingerichtet. 

Faire Schulmittagessen

Dabei sind die Möglichkeiten heute deutlich besser als vor 20 Jahren, nachprüfbare Standards zu verlangen, zum Beispiel mit der Fair Wear Foundation bei Textilien oder dem bereits genannten TCO-Standard im IT-Bereich. Für einen deutlichen Sprung nach vorne sind klare gesetzliche Regelungen notwendig, sagt auch Merle Kamppeter von der Christlichen Initiative Romero. Die Organisation berät Kommunen, die ihren Einkauf umstellen wollen. Nur dann könne man über einzelne Pilotprojekte hinauskommen und den Markt in Richtung mehr Arbeits- und Sozialstandards verändern.

Einige Initiativen zeigen, wohin es gehen müsste. In Berlin bezieht der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg in einem bisher einzigartigen Projekt in Deutschland für seine Schulmittagessen seit dem Schuljahr 2020/2021 Bananen, Reis und Ananas aus fairem Handel. Hierbei handelt es sich um rund 165.000 Mahlzeiten pro Tag – immerhin eine halbe Million Bananen und 30 Tonnen Reis pro Monat –, also eine Größenordnung, die ins Gewicht fällt. Das Beispiel zeigt, welches Potential die öffentliche Hand hat. Sie muss es nur nutzen.

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