Anfang März hat die Schweizer Finanzmarktaufsicht (FINMA) gegen zwei Banken eine Untersuchung im Zusammenhang mit dem Libanon eingeleitet. Details gab sie nicht bekannt, doch es ist klar, um wen es dabei geht: den libanesischen Zentralbankchef Riad Salameh.
Seit geraumer Zeit steht der Verdacht im Raum, dass Salameh über Jahre hinweg öffentliche Gelder veruntreut und auf Schweizer Konten transferiert hat. Die Schweizer Bundesanwaltschaft hat bereits 2020 Ermittlungen gegen ihn, seinen Bruder Raja und eine Assistentin eingeleitet. In ihrem Rechtshilfegesuch an die libanesischen Behörden vom vergangenen November heißt es, dass mindestens 300 Millionen US-Dollar von der libanesischen Zentralbank über eine Briefkastenfirma auf unterschiedliche Konten in der Schweiz geflossen seien. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Inzwischen laufen auch in Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Lichtenstein Ermittlungen wegen des Verdachts auf Geldwäsche . Im Libanon wurden die drei vor wenigen Wochen angeklagt. Europäische Ermittler reisten in das Land und wohnten einer Anhörung Salamehs in Beirut bei. Salameh bestreitet alle Vorwürfe – er werde zum Sündenbock für die Wirtschaftskrise im Libanon gemacht, ließ er verlauten.
Tatsächlich verkörpert Riad Salameh für viele Libanesinnen und Libanesen wie kaum eine andere Person die Misswirtschaft der politischen Elite, die für die aktuelle Misere des Landes verantwortlich ist. Seit dreißig Jahren ist er Chef der libanesischen Zentralbank. Diese war mit ihrer unverantwortlichen Zinspolitik maßgeblich mitverantwortlich für die Blase im Finanzwesen, die im Herbst 2019 zum wirtschaftlichen Kollaps geführt hat.
Schweiz hinkt bei Bekämpfung von Geldwäsche hinterher
Dass die Spur von Riad Salamehs mutmaßlich unterschlagenen Millionen in die Schweiz führt, ist kaum erstaunlich. Der Schweizer Finanzplatz ist mit einem Weltmarktanteil von 25 Prozent Spitzenreiter in der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung. Gleichzeitig hinkt die Schweiz weit hinterher, wenn es um die Bekämpfung von Geldwäsche geht.
Zur Vermeidung von Geldwäscherei unterstehen Finanzintermediäre wie etwa Banken einer Sorgfalts- und Meldepflicht. Zu den gesetzlichen Sorgfaltspflichten gehört, dass Banken den wirtschaftlich Berechtigten feststellen müssen, also den tatsächlichen Eigentümer der von der Bank verwalteten Gelder. Bei Verdacht auf Geldwäscherei sind sie zudem verpflichtet, den Behörden eine Verdachtsmeldung zu machen. Doch die Sanktionen bei Verstößen gegen diese Pflicht sind viel zu milde: Die Höchststrafe liegt bei 500.000 Franken.
„Es gibt zu viele Banken, die ihre gesetzlichen Sorgfalts- und Meldepflichten nicht genügend wahrnehmen“, sagt Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency International Schweiz. Dazu würden nicht nur kleine Banken gehören, sondern etwa auch die Credit Suisse, die jüngst von der UBS übernommen wurde, nachdem die Großbank am Rande des Kollaps stand.
Der Geltungsbereich des Geldwäschegesetzes müsste erweitert werden
Das andere Problem liege darin, dass das Geldwäschegesetz noch immer große Lücken aufweist, so Hilti. Die Schweiz ist Gründungsmitglied der Financial Action Task Force (FATF), des zwischenstaatlichen Gremiums, das die international den Minimalstandard zur Bekämpfung von Geldwäscherei festlegt. Doch ihr erstes Geldwäschegesetz verabschiedete die Schweiz erst 1998, zehn Jahre nach der Gründung der FATF. Seither wird das Gesetz laufend überarbeitet – allerdings immer nur in kleinen Schritten. „Der Geltungsbereich des Geldwäschereigesetzes ist zu eng und müsste dringend erweitert werden“, sagt Hilti. „Auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit Gesellschaft und Trusts, auf die Finanz- und Anlageberatung und auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Kauf und Verkauf von Immobilien sowie Kunst- und Luxusgütern.“
Die Schweiz verschärfe das Gesetz nur dann, „wenn der internationale Druck ihr keine andere Wahl lässt“, sagt Martin Hilti. Ein Beispiel sind Anwälte und Notare, die an der Gründung von Gesellschaften und Trusts beteiligt sind, die zur Verschleierung der Herkunft von Geldern dienen können. Die FATF-Empfehlungen sehen vor, dass solche Dienstleistungen unter die Geldwäschereigesetzgebung fallen sollten. In allen EU-Ländern ist dies gesetzlicher Standard.
Aufgrund des großen internationalen Drucks hat der Bundesrat zwar bei seiner letzten Revision des Geldwäschegesetzes vorgesehen, Anwälte und Notare ebenfalls in die Pflicht zu nehmen. Doch das Parlament hat dieses Herzstück der Revision aus dem Entwurf gestrichen. Übrig geblieben sind zumindest zwei Verschärfungen der Sorgfaltspflicht für Banken, die nun verpflichtet sind, ihre Kunden genauer zu durchleuchten und auch bereits bestehende Kunden regelmäßig zu aktualisieren.
Für den SP-Parlamentarier Fabian Molina, der 2020 eine Anfrage über mögliche Kapitalflucht politisch exponierter Personen aus dem Libanon eingereicht hatte, deutet das Verfahren der FINMA darauf hin, dass die Banken ziemlich sicher ihre Sorgfaltspflicht verletzt haben. „Der Fall Salameh zeigt, wie wichtig es ist, bestehende Gesetzeslücken zu schließen“, sagt er. Denn auch in diesem Fall seien die Gelder mutmaßlich über eine Anwaltsfirma gelaufen, die bis heute nicht dem Geldwäschegesetz unterstellt ist.
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