Das BMZ will soziale Sicherung voranbringen

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Ein Mann repariert ein Fahrrad in Ndola (Sambia). Solche informellen Arbeiter, immerhin die Hälfte der Weltbevölkerung, sind sozial nicht abgesichert. Deutschland will nun eine Vorreiterrolle dabei übernehmen, dies zu ändern.
Berlin
Die Ampelkoalition hat angekündigt, Partnerländer beim Aufbau sozialer Sicherungssysteme zu unterstützen. Das Entwicklungsministerium will dafür nun bald eine Strategie vorlegen. Die Opposition moniert, die Finanzierung sei unklar.

Soziale Sicherheit wird nun neben Gesundheits- und Bevölkerungspolitik eine von drei Säulen einer neuen Kernthemenstrategie des deutschen Entwicklungsministeriums (BMZ) sein. Diese ergänzt bisherige Kernthemen der BMZ-Reform 2030, setzt Zusagen aus dem Koalitionsvertrag um und soll demnächst öffentlich werden. Konkrete Zielvorgaben enthalte sie noch nicht, sagen Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen, die konsultiert wurden. Ein angekündigter Aktionsplan werde hoffentlich deutlicher. 

Vier Milliarden Menschen, etwa die Hälfte der Weltbevölkerung, ist sozial nicht abgesichert, verfügt also nicht über eine Sicherung im Krankheitsfall oder bei Arbeitslosigkeit, ganz zu schweigen von einer Rentenversicherung. Laut dem Entwurf der Strategie will Deutschland eine Vorreiterrolle dabei übernehmen, andere entwicklungspolitische Kräfte für das Thema zu mobilisieren und die Zusammenarbeit von weltweit für soziale Sicherung tätigen Organisationen zu verbessern.

Mit ähnlicher Stoßrichtung hat UN-Generalsekretär António Guterres bereits 2021 eine Initiative gestartet, um die Schaffung von Arbeitsplätzen und von Systemen sozialer Sicherung nach dem Ende der Covid-Pandemie zu beschleunigen (Global Accelerator on Jobs and Social Protection for Just Transitions). Zunächst geht es nun darum, unter den vielen Organisationen und Institutionen im UN-System und darüber hinaus ein gemeinsames Verständnis von sozialer Sicherung herzustellen, um Partnerländer koordiniert zu unterstützen. Die G7-Regierungen haben sich im vergangenen Jahr der Idee von Guterres angeschlossen und wollen dazu beitragen, dass bis 2025 zusätzlich eine Milliarde Menschen sozial abgesichert sind. Im vergangenen November haben zudem die Weltbank und die Internationale Arbeitsorganisation zugesagt, ihre Kräfte für Sozialsysteme und menschenwürdige Arbeit stärker zu bündeln.

Die G7 wollen beitragen, bis 2025 zusätzlich eine Milliarde Menschen sozial abzusichern

Die ILO, die Weltbank und Deutschland werden gemeinsam mit anderen bilateralen Gebern und internationalen Organisationen noch in diesem Jahr beginnen, eine erste Gruppe von reformbereiten Ländern gemeinsam zu unterstützen, sagt eine BMZ-Sprecherin. Deutschland könne Beratung, Grundsicherungsprogramme, versicherungsbasierte Ansätze und Hilfestellung in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik anbieten. Bei einer internationalen Konferenz im Juni in Berlin sollen erste Schritte diskutiert werden.

Sobald die soziale Sicherheit auf der Prioritätenliste des BMZ sichtbar nach oben rutscht, können Partnerländer in Regierungsverhandlungen den Aufbau oder die Stärkung von Systemen wieder leichter als Kooperationsfeld auswählen, erläutert Nicola Wiebe, Fachreferentin bei Brot für die Welt. Sehr wichtig sei es, auch den informellen Sektor und benachteiligte Gruppen einzuschließen, die von Sozialleistungen häufig nicht erreicht werden. 

Noch offen ist, ob sich die Bundesregierung für die im Koalitionsvertrag erwähnte Option stark macht, einen neuen globalen Fonds für soziale Sicherung zu schaffen. Entwicklungsorganisationen unterstützen diese Option. Fortschritte, wie eine internationale Finanzierung Gestalt annimmt, könnte die Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank Mitte April bringen.

Arme Länder brauchen für Sozialsicherung internationale Transfers  

Die Absicht der Accelerator-Initiative, für den Aufbau von tragfähigen Sicherungssystemen vor allem technische Beratung anzubieten, reicht aus Wiebes Sicht nicht aus. Vor allem arme Länder seien nicht in der Lage, eine soziale Grundsicherung aus dem eigenen Haushalt zu stemmen. Solange die Steuereinnahmen dieser Länder so niedrig seien und es keine Fortschritte bei internationaler Steuergerechtigkeit und der Kontrolle von illegitimen Finanzströmen gebe, „brauchen wir internationale Finanzierung für die Umsetzung der sozialen Sicherheit“.

Ein globaler Fonds bietet laut Wiebe den Vorteil, Finanzmittel dafür über einen langen Zeitraum zu garantieren. „Wir müssen hier mindestens zehn Jahre in die Zukunft denken“, sagt sie. „In Dreijahreszyklen entstehen keine Systeme sozialer Sicherung.“ Sollte das BMZ mit einer Zusage zu einem multilateralen Finanzierungsmechanismus vorangehen, dann könnten sich andere Partner dem anschließen. In der G7 war das im vergangenen Jahr noch nicht gelungen.

Die Opposition wirft Entwicklungsministerin Svenja Schulze vor, zu nebulös mit dem neuen Fokus und seiner Finanzierung umzugehen. Die Ministerin verkünde neue Schwerpunkte und erkläre zugleich, woanders werde nicht gekürzt – und das bei einem sinkenden Etat. Das sei Augenwischerei, heißt es in der Unionsfraktion. Cornelia Möhring von den Linken begrüßte die Kehrtwende von IWF und Weltbank zugunsten von Investitionen in Sozialsysteme, nachdem diese in den 1980er und 1990er Jahren durch Strukturanpassungsprogramme zerstört worden seien. Vor allem für die ärmsten Länder brauche es eine globale Finanzierung, in die „insbesondere die reichen Industrieländer als Kompensation für ihre koloniale Schuld einzahlen müssen“. 

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