Mitte Februar hat die Schweiz eine rund 2500 Jahre alte Skulptur an Peru zurückgegeben. Der Steinkopf ist ein wertvolles Kulturgut, es gibt nur rund hundert Stück davon. Im Jahr 2016 hatte der Schweizer Zoll ihn an der Grenze in Basel konfisziert. Eine Privatperson hatte versucht, ihn aus Deutschland in einem Lieferwagen undeklariert einzuführen.
„Es ist hocherfreulich zu sehen, dass die Gesetze allmählich greifen“, sagt Andrea Raschèr. Der frühere Leiter Recht und Internationales beim Bundesamt für Kultur hatte das Kulturgütertransfergesetz erarbeitet, das 2005 in Kraft getreten ist. Es war das erste griffige Gesetz gegen illegalen Kunsthandel in der Schweiz.
Wie die Situation davor gewesen war, beschreibt Raschèr mit einer Anekdote: Vor rund 35 Jahren seien er und ein befreundeter Museumsdirektor von München zurück nach Zürich gefahren. Im Kofferraum hatten sie Ausstellungsobjekte, die aus einem Museum in Zürich stammten und in München gezeigt worden waren. Als der Zöllner nachfragte, sagte der Museumsdirektor, es handle sich um römische und griechische Stücke. „Also Steine“, habe der Zöllner geantwortet. Und sie passieren lassen.
Die Gefahr illegaler Geschäfte ist groß
Die Schweiz gehört neben den USA, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland zu den wichtigsten Kulturhandelszentren weltweit. Doch wo viel Kunst gehandelt wird, ist auch die Gefahr illegaler Geschäfte groß: Diebstahl, Geldwäsche, Steuerhinterziehung oder der Schmuggel von Kulturgütern. „Die meisten Objekte stammen aus dem globalen Süden“, sagt Andrea Raschèr. Über dieselben Schmuggelrouten wie Waffen oder Drogen gelangen sie meist in die reichen Industrieländer, darunter die Schweiz.
Noch immer ist der Kunsthandelsplatz Schweiz, verglichen mit der EU, schwach reguliert. Er unterliegt nicht dem Geldwäschegesetz: Anders als Banken sind Kunsthändler nicht verpflichtet, die Identität ihrer Kunden zu überprüfen. Dies sei ein Einfallstor für die Umgehung von Sanktionen, zum Beispiel für russische Oligarchen, so Raschèr.
Für den Kampf gegen den Handel mit illegalen Kulturgütern sind vor allem die Zollfreilager in Genf ein Problem. Theoretisch sollen sie den internationalen Handel erleichtern: Waren – etwa Luxusuhren, Juwelen aber eben auch antike Objekte und Gemälde berühmter Künstler – können hier steuer- und gebührenfrei für unbestimmte Zeit zwischengelagert werden, bevor sie in ihr Zielland transportiert und dort besteuert werden. Vor allem der Kunsthandel nutzen die Zollfreilager in Genf: Rund 1,2 Millionen Kunstobjekte sollen hier lagern, manche über Jahrzehnte.
Doch die Lager sind anfällig für Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Raubkunst. Die Kunden müssen zwar angeben, was sie in ihren Schließfächern deponieren – systematisch überprüft wird das aber nicht. Der Zoll führt lediglich Stichproben durch. In den letzten Jahren konnte so zwar immer wieder Raubkunst beschlagnahmt werden. „Doch es ist klar, dass dort noch immer zahlreiche illegale Objekte lagern“, sagt Raschèr. „Die Zollfreilager sind eine Black Box.“
YouTube-Videos erklären, wie sich Kulturgüter stehlen lassen
Mit dem illegalen Handel von Kulturgütern werden riesige Umsätze gemacht, und häufig sind Krisen- und Konfliktgebiete betroffen. Aber auch wenn kein Krieg herrscht, kann es zu vermehrtem Raub von Kulturgütern kommen: „Überall dort, wo die Armut groß ist und der Rechtsstaat schwach“, sagt Sam Hardy, Verantwortlicher für die Abteilung illegaler Handel bei Heritage Management Organisation, die Beratung und Workshops für Institutionen und Personen anbietet, die mit Kulturobjekten arbeiten.
In manchen Fällen gehörten die Täter zu kriminellen Netzwerken. Doch häufig seien es Einzeltäter – die allerdings über die sozialen Netzwerke miteinander in Kontakt stehen, sagt Hardy. „Auf YouTube findest du Videos von Leuten, die erklären, wie sie archäologische Güter stehlen.“ Plattformen wie Ebay wiederum hätten den illegalen Handel noch einfacher gemacht.
Der illegale Handel mit Kulturgütern ist ein Verbrechen mit geringem Risiko und der Aussicht auf schnellen Profit. Selbst wenn jemand mit einem Objekt erwischt werde, entkomme er häufig einer Verurteilung, sagt Hardy. Denn oft sei kaum möglich, das Verbrechen forensisch nachzuweisen und die Schuld zweifelsfrei festzustellen. Die Behörden – insbesondere in den reichen Staaten, in denen die Objekte meist enden – müssten geschult und Ressourcen dafür bereitgestellt werden.
Die Schweiz sei bei der Strafverfolgung trotz des Kulturgütertransfergesetzes immer noch schwach, sagt Andrea Raschèr. Der Fall der peruanischen Statue zeige zwar, dass der Schweizer Zoll zumindest für das Thema sensibilisiert sei. Doch müsse etwa die Zahl der Stichproben in den Zollfreilagern deutlich erhöht werden, findet Raschèr. Zum Thema Geldwäsche gab es vergangenes Jahr immerhin einen Parlamentsantrag (Motion) des SP-Nationalrats Jon Pult, der den Bundesrat aufforderte, die Kunsthändler dem Geldwäschegesetz zu unterstellen. Der Bundesrat allerdings empfahl dem Parlament Ablehnung der Motion zur Ablehnung.
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