Sowohl in der Demokratischen Republik Kongo als auch im Südsudan hatten die Menschen hohe Erwartungen an den lang geplanten Besuch von Papst Franziskus. Schließlich leiden sie in beiden Ländern seit Jahren oder gar Jahrzehnten unter Konflikten, die bisher keine Regierung, kein Unterhändler oder Sonderbeauftragter lösen konnte. Dass nun ein 86-jähriger alter Mann im Rollstuhl Frieden in den beiden Ländern schafft, konnte deshalb niemand ernsthaft erwarten.
Dennoch dürfe man die Wirkung dieser Besuche nicht unterschätzen, meint Maria Klatte, Leiterin der Abteilung Afrika/Nahost beim katholischen Hilfswerk Misereor. „Es mag in unseren Ohren vielleicht ein wenig biblisch klingen, wenn der Papst in Kinshasa sagt, er sei gekommen, um Menschen zu treffen, ihren Schmerz zu verstehen und sie in ihrem Festhalten am Frieden zu ermutigen. In der konkreten Situation in beiden Ländern ist das aber auch politisch“, sagt sie.
Der Papst habe die Menschen in ihrer Würde angesprochen. Außerdem habe er klar und deutlich Themen benannt, die nicht nur die DR Kongo betreffen, sondern viele andere Länder in Afrika: Frieden, Fragilität, Gewalt gegen Frauen, arme Bevölkerungsgruppen und die Natur sowie die Perspektivlosigkeit der Jugend. „Er hat angeprangert, dass trotz des offiziellen Endes des politischen Kolonialismus die wirtschaftliche Ausbeutung Afrikas nie aufgehört hat. Wer, wenn nicht der Papst, kann so etwas sagen und wird auf lokaler und internationaler Ebene gehört?“
Papst hat viele Missstände angeprangert
Klatte zufolge sei es auch mehr als symbolhaft, dass sich der Papst trotz all seiner körperlichen Einschränkungen in zwei Länder begeben habe, die von wiederkehrender Gewalt und politischer Ungerechtigkeit geprägt sind. „In einem solchen Kontext die Probleme so offen anzusprechen, hat Gewicht. Auch dass er sich mit Frauen getroffen hat, die im Krieg vergewaltigt wurden, mit Jugendlichen, mit einer Albino-Frau – das ist mehr als Symbolpolitik. Das bringt die Probleme auf den Tisch.“
Gerade im Kongo, wo die katholische Bischofskonferenz (CENCO) immer wieder die Rolle einer Mahnerin eingenommen hat, werde den Worten eines Kirchenoberhaupts sehr viel mehr Gehör geschenkt, als man es in westlichen Ländern kenne, gibt Klatte zu bedenken. „Die Menschen in den Gemeinden sowie Institutionen wie die Afrikanische Union oder die Vereinten Nationen schätzen religiöse Führer als wichtige Gesprächspartner und Mediatoren“, sagt Klatte. Die Arbeit der Kirchen sei in fragilen Kontexten von hoher Bedeutung, etwa im Gesundheitsbereich und im Bildungswesen.
Den Besuch im Südsudan hatte der Papst bewusst ökumenisch gestaltet. Der Frieden in dem noch jungen Staat steht für das katholische Kirchenoberhaupt schon seit einigen Jahren oben auf der Agenda. 2019 hatte Franziskus, kurz nachdem das Friedensabkommen nach dem Bürgerkrieg in den Jahren 2013 bis 2018 zustande gekommen war, die beiden politischen Kontrahenten Riek Machar und Salva Kiir im Vatikan empfangen und ihnen zur Überraschung aller die Füße geküsst mit der Bitte, sich ernsthaft für den Frieden in ihrem Land einzusetzen. Bereits damals hatte er das anglikanische Oberhaupt Justin Welby an seiner Seite. Dieses Mal nahm er außer Welby noch Ian Greenshields von der Presbyterianischen Kirche in Schottland mit.
„Im Südsudan herrscht extreme Armut, es gibt offene Konflikte und der Staat ist schwach“, sagt Uwe Bergmeier, Leiter der Dialog und Verbindungsstelle Südsudan von Misereor. Da brauche es eine besonders starke, internationale und ökumenische Initiative wie die des Papstes, um Prozesse anzuschieben. Die Regierung habe in den Konflikten in fünf Regionen des Landes in den vergangenen Monaten gelähmt bis desinteressiert gewirkt. „Sie braucht den Druck von außen und hat sich jetzt deutliche Worte anhören müssen.“ Etliche Entscheidungsträger hätten dem Papst denn auch zugesagt, sich mehr für den Frieden in den Konfliktregionen und für die Rückkehr der vielen Binnenflüchtlinge in ihre Heimat einzusetzen. „Ob das auch tatsächlich passiert, werden wir in den kommenden Monaten beobachten“, sagt Bergmeier.
Friedenskräfte haben Rückenwind bekommen
Diejenigen Kräfte im Land, die sich schon seit langem für Frieden und Demokratie einsetzen, hätten durch den Papstbesuch kräftigen Rückenwind bekommen. „Für den Südsudanesischen Kirchenrat (SSCC), der ja Gastgeber der ökumenischen Delegation war und der sich seit langem stark für den Frieden im Land einsetzt, war das ein großer Prestigegewinn“, sagt Bergmeier. So habe der südsudanesische Präsident die Suspendierung eines Programms der katholischen Kongregation Sant' Egidio wieder aufgehoben, in dessen Rahmen sich bis November 2022 Vertreter von Konfliktparteien an einen Tisch gesetzt haben, die das Friedensabkommen von 2018 nicht unterzeichnet hatten. „Der SSCC hatte seit Monaten gefordert, dass diese Initiative weitermachen kann.“
Doch auch der Papst werde weiter am Ball bleiben müssen, sagt Bergmeier. „Der Vatikan kann sich nach dem Besuch nicht einfach aus dem Thema herausziehen. Er ist gefordert, sich weiter in den Friedensprozess im Südsudan einzubringen.“
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